Nur noch wenige Sekunden. 66 Tausend Zuschauer warten gespannt. Und dann ist es soweit unter tosendem Applaus erfolgt der Anstoß. Laola-Wellen schwappen über die Ränge. Die Stimmung im Hexenkessel erreicht den Siedepunkt.
Das Eröffnungsspiel zur Fußball-WM 2006 wurde soeben angepfiffen. In der VIP-Lounge prosten sich Franz Beckenbauer und Karl-Heinz Wildmoser mit einem Glas Weisbier zu. Die Geschäftsleute auf den komfortablen Business-Seats schauen beeindruckt durch das weite Rund der Arena.
So, oder zumindest so ähnlich, sollte nach den Vorstellungen von FC Bayern München und TSV 1860 München die Zukunft des Fußballstandortes München aussehen. Aber der Weg zu diesem Ziel ist noch weit.
Kein Fußball mehr im Olympiastadion
Wenn es nach den Machern der Münchner Fußball-Clubs geht, soll in München-Fröttmaning bis 2005 ein neuer Fußballtempel entstehen. 66.000 Sitzplätze, komplett überdacht, 30 000 Parkplätze. Und alles mit höchstem Komfort. Ein Stadion der Superlative für den Süden der Republik.
Eine neue Arena für die beiden Münchner Profi-Clubs soll es sein. Das Hick Hack um einen Um- oder Neubau des Münchner Olympiastadions ist beendet, die Pläne ad acta gelegt.
Das Gewerbegebiet Fröttmaning im Norden der Stadt hat man sich als Standort für ein zweites Stadion ausgeguckt. Keine Mehrzweckarena, sondern eine reine Fußballanlage - ohne Laufbahn. Und eins ist klar. Das neue Heim der Münchner Vereine wird auch neue Maßstäbe setzen.
Teurer als »AufSchalke«
400 Millionen Mark wird es kosten. Das sind über 40 Millionen Mark mehr als in den bis dato modernsten Fußballpalast Europas - die »Arena AufSchalke« - gesteckt wurde. Die Kosten für den Bau selbst tragen die Vereine. Dazu kommen rund 360 Millionen Mark für den Ausbau der Infrastruktur, also Bahn- und Straßenanbindung, die von Stadt und Land (/von öffentlicher Hand) getragen werden.
Die Münchner Arena verpflichtet sich damit fast selbst dazu, DAS »Schmuckkästchen« unter den deutschen Fußballstadien zu werden. Bei diesen Summen darf wohl davon ausgegangen werden, dass kein einfaches Stadion, sondern der neue Schrittmacher für das alte deutsche Fußballherz entsteht.
Traute Einigkeit im Münchner Fußball
Neben den Club-Präsidenten Beckenbauer und Wildmoser ist auch Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber ein Verfechter des neuen Stadions. Trotzdem bleibt die Politik gespalten.
Während die einen - wie die Vereine - den Fußballstandort München stärken, beziehungsweise stark halten wollen, sehen die anderen den Sinn einer zweiten Arena nicht, da mit dem Olympiastadion bereits eine Anlage existiert, die für die Austragung von Fußballspielen tauglich ist.
Der denkmalgeschützte Bau von 1972 reicht den Verantwortlichen von 1860 und Bayern München aber nicht mehr aus, um auch langfristig vorne mitzuspielen. Das Olympiastadion bietet nicht den komfortablen Rahmen, den moderne Fußballstätten zu bieten haben.
Da eine Umgestaltung nicht möglich ist, wurde der Schrei nach einem neuen Stadion laut. Die Vereine ziehen dabei fest an einem Strang.
Der Bürgerentscheid als Entscheidung
Am 21. Oktober wird in München mittels eines Bürgerentscheids abgestimmt, ob in Fröttmaning gebaut werden soll, oder nicht. Die Bevölkerung spaltet sich in Befürworter und Gegner. München ist polarisiert.
Sollte die Entscheidung gegen den Bau ausfallen, drohte Kaiser Franz damit, sich außerhalb Münchens nach Alternativen umzusehen. Die Stadt München würde dann ihren FC Bayern verlieren.
Christian Meyer