Mutter Klinsmann Transfergezeter aus der Backstube

Von Oliver Trust, Stuttgart
Wenn der Jürgen zum Erzfeind nach München wechselt, kocht die schwäbische Volksseele. Mutti Klinsmann hat ihre liebe Not, beim Wecken-Verkaufen die Gemüter zu beruhigen. Ein Situationsbericht aus der Klinsmannschen Backstube.

Wie immer ist die Bäckerei Klinsmann kurz davor, wegen Überfüllung zu schließen. Parkplätze gibt es in der Eltinger Strasse vor der Gaststube Rössle, die gegenüber liegt, kaum noch. Samstags wird in Schwaben eingekauft und die Kehrwoche gemacht.

Und, obwohl sie deshalb keine Zeit hat, sieht man der "Chefin" die Freude an. Martha Klinsmann muss in diesen Tagen oft über ihren "Jürgen" und ihre Enkelkinder Jonathan und Leila sprechen, die nur 100 Meter entfernt in der Auferstehungskirche in Stuttgart-Botnang getauft wurden. Aber sie ist vorsichtig geworden. "Ich sag nix mehr", meint sie zuerst und redet dann doch. Die Gefühle müssen raus und manchmal muss sie was klar stellen. "Des isch elles a bissele viel", stöhnt sie am Wochenende nach dem "Tag des Überraschungscoups" der Bayern mit ihrem neuen Trainer Jürgen Klinsmann.

Am Freitag waren schon Reporter in der Bäckerei, die Klinsmanns Bruder Horst nach dem Tod von Vater Siegfried betreibt. Und ihr Zitat "Ach du Scheiße", das Überraschung über den neuen Vertrag ihres Sohnes in München ausdrücken sollte, ging deutschlandweit über alle Kanäle, stand in allen Zeitungen. Aber es war eine schauspielerische Glanzleistung von Mutter Klinsmann, die sich Stück für Stück zum "Medienprofi" entwickelt. Sie hatte glatt geschwindelt. "Er hat mich vorher angrufen. Ich habs vorher gwusst, ned viel vorher, um acht am Abend vorher", verrät sie. "Ich freu mih, dass ih die Enkel öfter sehen kann", sagt Frau Klinsmann. "Aber ich hab scho gnug gsagt, es langt uns scho widder."

Den großen Tisch eingedeckt

Vor allem wohl, weil sie an die WM 2006 zurück denkt als die Bäckerei Klinsmann wegen des Bundestrainers Klinsmann regelrecht belagert wurde und der "oberste Trainer" des Landes öffentlich darum bitten musste, man möge seine Familie in Ruhe lassen. Bundestrainer Klinsmann selbst wollte schon einen Pressesprecher für seine Mutter einstellen. Sie waren alle überrascht worden vom grenzenlosen Trubel. Diesmal hatte er vorgesorgt, oder besser sein Berater Roland Eitel, der ihm eine "To-Do-Liste" erstellte. Ganz oben stand, Mutter Martha anrufen und Bescheid sagen. Es gab andere Zeiten. Einmal, vor der WM 2006 kam ein Fernsehteam zur "homestory". Man traf etwas früher ein als Klinsmann. Als die Hauptfigur schließlich eintraf saßen die Herren vom Fernsehen schon im Wohnzimmer bei Kaffee und Kuchen. Martha Klinsmann hatte den großen Tisch eingedeckt und gebacken.

Am Tresen - am Samstag nach der Fußball-Eilmeldung des Jahres - blüht derweil der Handel. "Wisset Sie, der soll denna do onda ruhig`s Fußballspiela beibringa", sagt ein Brötchen-Shopper. "Die meischde fända des guat, des ers macht". Man nickt geduldig hinterm Buffet. Alle sind sie froh, dass der "Jürgen" wieder kommt. In die Nähe auf alle Fälle. In der Bäckerei, in der er einst als Lehrling arbeitete, taucht er am "Tag danach" nicht auf. "Der hat zuviel zu tun", sagt Martha Klinsmann. "Die suchat a Haus mit Garten", sagt sie. "Ih freu mih so." In der Zeitung steht die spöttelnde Schlagzeile: "Wir helfen gerne". Das ist auf die Bayern gemünzt, die hier keiner leiden mag. Die hatten 2004 schon Felix Magath vom VfB Stuttgart geholt, weil sie nicht mehr weiter wussten. Und schließlich auch mal den "Jürgen" als der noch spielte. In den Internetforen der örtlichen Zeitungen taucht auch der Vorwurf auf, ein "Verräter" zu sein, aber insgesamt sind es vor allem positive Kommentare. Man ist gespannt, wer da unten in München wem den Zahn zieht, der "Jürgen" den Bayern oder die ihm. Letzteres glaubt keiner. Nicht mal Klinsmanns Berater Roland Eitel, ein ehemaliger Journalist, der in Ludwigsburg bei Stuttgart lebt und Klinsmanns Termine und Anfragen regelt. "Jürgen wird so bleiben wie er ist, klar strukturiert, da wird es kein Wischiwaschi geben", sagt Eitel.

"Klinsmann-Sekt" zu 6,20 Euro

In Botnang geht es weiter hoch her und Martha Klinsmann legt die Stirn in Falten. "Ob des guat geht", fragt sie sich und meint den ältern Herrn, der nach Brot und Brötchen auch noch zwei Flaschen "Klinsmann-Sekt" zu je 6,20 Euro kauft. "Sie sen doch mit dem Rad do, goat des gut? Ich woiß nedß", sagt Martha Klinsmann und packt ihm alles ein. "De Jürgen kommt heut ned", sagt sie dem nächsten Kunden. "Der sucht ein Haus und muss zurück nach Kalifornien". Der "Bald-Bayern-Trainer" hätte hier und heute in der Eltinger Strasse in der Backstube, in der er einst als Bäckerlehrling lernte, nur gestört.

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