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Nationalmannschaft nach Australien-Spiel DFB inszeniert Länderspiele kaputt

Beim Länderspiel gegen Australien bleiben Tausende Plätze frei, Zuschauerpfiffe werden übertönt und schlechte Szenen nicht wiederholt: Der DFB inszeniert seine Fußballspiele und verbietet den Fans den Mund. Nicht das erste Mal.
Ein Kommentar von Wigbert Löer

Die Fans hatten keine Chance diesmal – Pfiffe wurden weggedröhnt. Nahezu mit dem Schlusspfiff, höchstens eine Sekunde war vergangen, ertönte im Mönchengladbacher Stadion ein gerade aktueller Popsong, extralaut. Eine Würdigung der sportlichen Leistung der Fußballnationalmannschaften von Deutschland und Australien durch die Zuschauer war somit verhindert. Und das war kein Zufall.

Immer mal wieder passiert es dem Deutschen Fußball-Bund (DFB), dass die Länderspiele seiner A-Nationalmannschaft nicht ausverkauft sind. Man wählt die Stadiongröße durchaus und verständlicherweise nach der Attraktivität des Gegners aus, aber auch mittelgroße Arenen wie Gladbachs Borussia-Park sind nicht so leicht voll zu bekommen. Rund 17.000 Plätze blieben frei. Das mag an der vom Fernsehen diktierten späten Anstoßzeit liegen oder vielleicht am Gegner oder gar daran, dass die fröhlich-verrückte Bundesliga im Moment spannender verläuft. Aber ein kleines bisschen könnte es auch mit der Art zu tun haben, wie der DFB ein Fußballspiel organisiert. Man muss kein Griesgram sein, um sich daran zu stören: Der Verband macht sich fröhlich daran, die Länderspiele kaputt zu inszenieren.

Es geht nur noch um Show, und die Regie führt man selbst – die Stimmungsmache soll auf keinen Fall den Spielern und dem Publikum überlassen werden. Ein paar Minuten vor Anpfiff erklingt eine pathetische Hymne: Die so genannte Anfangszeremonie beginnt. Sie besteht darin, dass Dutzende Teenager einlaufen, Werbeplanen vom Rasen synchron anheben, diesen so Aufmerksamkeit bescheren und die Planen dann entfernen.

Show statt Emotionen

Show statt Zuschauerkulisse auch nach Toren für Deutschland: Als werde er automatisch ausgelöst, sobald der Ball die Torlinie überquert, röhrt Oliver Pochers WM-2006-Song "Schwaaarz und Weiß, wir steh’n an eurer Seite" aus den Boxen. Wer jetzt im Stadion klatscht, jubelt, schreit, kann sich sicher sein, nicht gehört zu werden. Die Würdigung übernimmt Pocher, und bei Pocher weiß man, was man bekommt: Wir steh’n an eurer Seite.

Warum ballert man die Reaktion der Fans einfach weg? Hat man Angst vor ihr? Vor echten Emotionen, die aus dem sportlichen Geschehen erwachsen? Ist das Selbstbewusstsein beim DFB so gering, die Furcht vor Pfiffen so groß? Zurecht fühlt man sich als eine der besten Fußballnationen, zurecht wohl lobt man seine Fans. Warum nur verbietet man ihnen im Stadion quasi den Mund?

Und warum traut man sich nicht etwas mehr Ausgewogenheit bei den Wiederholungen auf den Videowänden im Stadion? Dass Tore und interessante Szenen heute in fast jeder Arena umgehend wiederholt werden können, ist für Stadionbesucher eine wunderbare Sache. Beim Spiel gegen Australien wurde jedoch einmal mehr peinlich genau darauf geachtet, nichts Deutschland-Kritisches zu wiederholen. Das hübsche 1:0 von Mario Gomez – gerne noch einmal und noch einmal. Den Rückpass von Bastian Schweinsteiger ins eigene Toraus – auf keinen Fall. Ein Fehler von Schweinsteiger, da waltete Obacht: Schweinsteiger wurde ja am Freitag zuvor in Kaiserslautern ausgepfiffen. Aber wie denkt man über den besten deutschen Spieler bei der WM 2010, wenn man meint, ihn so vor dem Publikum schützen zu müssen?

Langatmigkeit dominiert die Halbzeit

In der zweiten Halbzeit schaffte es der DFB sogar, jene Szene nicht noch einmal zu zeigen, die zum Elfmeter und damit zum Siegtreffer der Australier führte. Mal angenommen, wobei sehr wenig dafür spricht, aber mal angenommen, der enttäuschte deutsche Stadiongänger wollte mit dem aus seiner Sicht eher unschönen Ereignis nicht noch mal behelligt werden: Was ist mit den Australien-Fans? Haben sie kein Anrecht darauf, den Triumph zu genießen? Ein bisschen Großzügigkeit könnte der Fußballriese in solchen Momenten doch walten lassen. Kann er sich nicht dazu entschließen, sollte konsequenterweise auch der Stadionsprecher in solchen Momenten schweigen – und einfach nur noch Tore für Deutschland verkünden.

Die beiden Stadionsprecher des DFB würden so durchaus nicht arbeitslos. In der Halbzeit des Australien-Spiels mussten sie langatmig die Vertreterin eines Sponsors interviewen, die für ein Gewinnspiel ihres Unternehmens warb und zwei Gewinner präsentierte. Mit einem überdimensionalen Reisegutschein wurden diese bedacht. Diese Szene, für die Fans von eher geringerer Bedeutung, wurde in voller Länge auf den Leinwänden übertragen. Wiederholt, immerhin, wurde sie nicht.

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