Man könnte meinen, dass Joachim Löw etwas gegen Dortmunder hat. In der Startaufstellung für das EM-Qualifikationsspiel gegen Kasachstan hat man Spieler des souveränen Bundesliga-Tabellenführers vergeblich gesucht. Einzig Mario Götze durfte am Ende für ganze 14 Minuten noch mal ran. Und die anderen? Mats Hummels und Marcel Schmelzer waren nicht mal im Kader, Sven Bender durfte immerhin auf der Bank Platz nehmen. Der Bundestrainer hat nun mal seine Prinzipien. Und nach denen stehen bestimmte Spieler vor anderen - auch weil sie schon länger dabei sind und seine Spielphilosophie verinnerlicht haben. Am Dienstag im Testspiel gegen Australien wird die deutsche Nationalmannschaft ein anderes Gesicht haben. Dann gibt Löw der Dortmunder Fraktion eine Chance. Hummels und Schmelzer stehen in Mönchengladbach in der Startaufstellung.
Eigentlich hätte es das Abwehr-Duo aber schon am Samstag auf dem Betzenberg verdient gehabt, zum Einsatz zu kommen. Weil die sportlichen Argumente klar für sie sprachen - und sprechen. Hummels muss sich nicht hinter Holger Badstuber oder Arne Friedrich verstecken. Im Gegenteil: Betrachtet man die bisherige Saison, steht er in der Rangliste der drei Innenverteidiger-Kandidaten klar auf Platz eins. Gleiches gilt für den 23-jährigen Schmelzer, der in der Bundesliga mit seiner Dynamik im Spiel nach vorn und seiner Bissigkeit im Abwehrverhalten Woche für Woche beeindruckt.
Schmelzer kann gegen Australien punkten
Schmelzers Konkurrent in der Nationalmannschaft heißt Dennis Aogo. Er ist momentan beim Bundestrainer gesetzt. Oder sollte man besser sagen: Er war gesetzt? Aogo lieferte gegen Kasachstan auf der linken Seite eine biedere Vorstellung: Zu wenig Tempo, dazu kaum geglückte Flanken, der Außenverteidiger vom Hamburger SV wirkte abwesend. Dabei hätte er gegen diesen drittklassigen Gegner bei Joachim Löw noch mal richtig punkten können. "Eine endgültige Lösung haben wir auf der linken Position noch nicht gefunden", hatte Joachim Löw noch vor der Partie gegen die Kasachen gesagt. Das hätte für Aogo Ansporn genug sein müssen. Was soll man sagen? Chance vertan, der Nächste bitte. Und das ist Marcel Schmelzer.
"Was soll ich machen, es gibt eben mit mir und Dennis Aogo zwei Spieler für die Position des linken Außenverteidigers", sagte Marcel Schmelzer auf der Abschlusspressekonferenz des DFB am Montag in Düsseldorf. Aber er schaute dabei alles andere als resigniert. Der Dortmunder hat begriffen, dass die Partie gegen Australien seine große Chance ist, im Ansehen bei Joachim Löw zu Dennis Aogo aufzuschließen - wenn nicht gar diesen zu überholen: "Ich habe jetzt die Möglichkeit, Druck aufzubauen und werde einfach drauf los spielen." Dass der Gegner am Dienstag Australien heißt, könnte Schmelzer dabei sogar in die Karten spielen, schließlich sind die "Socceroos" (Fifa-Weltranglistenplatz 20) mit dem deutschen Trainer Hoger Osieck mindestens zwei Klassen besser als Kasachstan. Auf den jungen Dortmunder kommt in Mönchengladbach sicher mehr zu als auf Aogo in Kaiserlautern.
Flick: Schmelzers Spiel "tut uns gut"
"Marcel Schmelzer ist ein Außenverteidiger moderner Prägung, er nimmt am Offensivspiel teil, das tut uns gut." Hansi Flicks Worte am Tag vor dem Spiel in Mönchengladbach kamen fast schon einem Ritterschlag gleich. Aber Löws Assistent hat Recht. Es gibt in der Bundesliga momentan keinen Spieler, der die neuralgische Position auf der linken Seite des Fußballfeldes moderner interpretiert als Schmelzer. Philipp Lahm kann das auch, aber den hat der Bundestrainer auf der rechten Seite fest verplant. "Es gibt keinen zweiten Philipp Lahm", sagte Hansi Flick noch, angesprochen auf die Baustelle auf der linken Außenbahn der Nationalmannschaft. Als dieser Satz fiel, hatte Marcel Schmelzer noch gar nicht auf dem Podium Platz genommen. Vielleicht hätte ihn Flick dann auch nicht gesagt. Wer weiß, vielleicht wünscht man sich nach dem Länderspiel gegen Australien für die Zukunft sowieso nur noch einen Spieler auf der linken Position. Die Chancen stehen gut, dass der Spieler Marcel Schmelzer heißt.