Man hat das Gefühl, dass Jürgen Klinsmann, der Architekt dieses begeisternden Teams, nicht nur die Spieler, sondern die halbe Republik mit seinem vorgelebten Selbstbewusstsein, seiner Willensstärke und seinem Mut angesteckt hat. 100 Prozent fokussiert, nicht nach rechts oder links schauend, dabei sich den eigenen Stärken bewusst sein: Die mentale Vorbereitung einen Tag vor dem WM-Hit gegen Argentinien, sie nähert sich im deutschen Lager dem Siedepunkt.
Jürgen Klinsmann ist ein ernster Mann, er lacht selten, die Anspannung von drei Nerven zehrenden WM-Wochen ist ihm ins Gesicht geschrieben. Sorgen bereiten, muss einem die Strenge des Bundestrainers aber nicht. Denn der Mann wirkt auf der Abschluss-Pressekonferenz in etwa so konzentriert, wie ein Herzchirurg vor dem Ansetzen des Skalpells. Zwar gilt es als nächstes Argentinien zu verarzten, aber auf dem Weg zum WM-Titel, dem mittlerweile offen proklamierten Ziel, stehen weitere schwierige Operationen an.
Kein Gedanke ans böse Erwachen
"Ich wiederhole mich: Wenn man in Deutschland eine WM spielt, dann kann man nicht im Viertelfinale ausscheiden. Dieses Land wurde drei Mal Europa- und drei Mal Weltmeister. Manche mögen mit dem Erreichten zufrieden sein, ich bin es jedenfalls nicht", ranzt Klinsmann einen Journalisten an. Spätestens jetzt hat jeder kapiert, dass seine Mission, die Mission der deutschen Nationalmannschaft, noch lange nicht beendet ist. Und irgendwie glauben auch die selbst ernannten Experten, was vor drei Wochen noch unmöglich schien: An einen Durchmarsch der Himmelsstürmer bis ins Finale.
Und da wartet also als nächstes Argentinien, eine große Mannschaft, vielleicht die stärkste der ganzen WM. Gegen die "Gauchos" wolle man mit voller Aggressivität und Leidenschaft zu Werke gehen, sagt der Bundestrainer. Das sei die Spielphilosophie seiner Mannschaft. Formulierungen wie "totales Engagement", "ständiger Prozess" und "absolute Gewissenhaftigkeit" nimmt Jürgen Klinsmann gerne in den Mund. Kein Mensch würde daran je zweifeln, alles nimmt man ihm mittlerweile ab, weil ihm der Erfolg Recht gibt. Furcht vor dem bösen Erwachen hat der auf Selbstdisziplin getrimmte Coach nicht: "Damit beschäftigen wir uns überhaupt nicht."
Team rückt immer enger zusammen
Klinsmann sagt auch diesen Satz: "Wir sind gegen Argentinien bereit, an unsere Grenzen zu gehen." "Wir", sagt er, nicht "die Jungs" oder "meine Mannschaft". Dieser Trainer brennt, er würde wohl am Freitag um kurz vor 17 Uhr das Team am liebsten selber noch als Kapitän aufs Feld führen. Aber dafür hat er Michael Ballack, und der hat die Doktrin seines Coaches 1:1 verinnerlicht. "Angst haben wir gar nicht. Es ist realistisch, dass wir eine große Chance haben, Argentinien zu schlagen", klingt es aus dem Munde des neuen Stars von Chelsea London. Für die letzten beiden Begegnungen gegen Argentinien, die jeweils Unentschieden endeten und in denen die deutsche Mannschaft nah dran war, dem Favoriten ein Bein zu stellen, könne man sich nichts mehr kaufen, sagt Ballack. "Es reicht uns nicht mehr, nur ein gutes Spiel zu machen. Wir haben Hunger und sind heiß darauf, weiterzukommen."
Funkeln in den Augen
Auch Michael Ballack ist das gewisse Funkeln in den Augen anzusehen. Der Trainer und sein wichtigster Mann sprechen die gleiche Sprache. Das war nicht immer so bei diesem Turnier. Die Mannschaft selbst rücke immer enger aneinander, von Spiel zu Spiel, verrät der Ex-Bayer dann noch. Jürgen Klinsmann wird die Worte seines Kapitäns mit Wohlwollen aufgenommen haben, obschon sie ihn nicht wirklich überrascht haben dürften. Schließlich ist er für diese anscheinend wirklich famose mannschaftliche Geschlossenheit hauptverantwortlich. Es darf gegen Argentinien eigentlich nicht schief gehen, sie können nur gewinnen.