Maximaler Glücksfaktor Warum Nigeria Weltmeister werden sollte

Von Oliver Fuchs
Nigeria muss Weltmeister werden. Das würde eine maximale Anzahl Menschen glücklich machen. Wer Deutschland zujubelt, ist indes Egoist. Sagt ein US-Professor.

Die Deutschen beten, dass ihr Team Weltmeister wird. Die Franzosen bejubeln ihre "Equipe Tricolore"; die Argentinier verehren ihren Messi. Nichts ist natürlicher, als bei der WM seine eigenes Land anzufeuern, oder? Dean Karlan, Professor für Ökonomie an der amerikanischen Eliteuni Yale, widerspricht. Für ihn ist sonnenklar, dass wir alle Nigeria die Daumen drücken sollten. Alles andere wäre herzlos. Wie er darauf kommt? Er hat es ausgerechnet.

Wie misst man Glück?

Laut Karlan sollte der sogenannte "maximale allgemeine Nutzen" das Ziel der WM sein. "Nutzen" heißt in diesem Fall einfach, dass sich Menschen über den Sieg ihres Teams freuen. In anderen Worten: Der Sieg eines Landes "nützt am meisten", wenn die größtmögliche Anzahl Menschen wegen des WM-Gewinnes ihres Landes glücklich wird.

Wie aber lässt sich Glück messen? Wären Deutsche beispielsweise glücklicher, wenn ihr Land gewinnt, als Franzosen, sollten sie den Pott holen? Karlans Antwort: Je ärmer ein Mensch ist, desto glücklicher wird er durch den Sieg seines Teams. Das klingt ziemlich zynisch, aber die Argumente des Professors sind nicht ganz von der Hand zu weisen: "Glück" und "Reichtum", sagt Karlan, sind von einander abhängig. Seiner Theorie zufolge macht Geld also tatsächlich glücklich. In anderen Worten: Je mehr ein Mensch verdient, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er glücklich ist. Und: Je reicher ein Mensch ist, desto eher verkraftet er die Niederlage seines Teams. Er kann sich zum Beispiel mit einem guten Essen trösten oder frustshoppen gehen.

Das ergibt eine simple Formel:

Fußballbegeisterung x Bevölkerung x durchschnittliche Armut = Glück im Land

Deutschland im Fußballräuschchen

Karlans Methode, das gesteht er selber ein, ist ein bisschen simpel. Trotzdem führt sie zu spannenden Ergebnissen.

Zunächst einmal sind Deutsche offenbar weit weniger fußballbegeistert als gemeinhin angenommen. Karlan zitiert eine Studie von YouGov, die 19 WM-Länder miteinander vergleicht. Der zufolge interessieren sich hierzulande nur 20 Prozent "sehr" für Fußball. Beim Rekordhalter Kolumbien sind es 50 Prozent. Noch deutlicher wird der Unterschied laut Karlan, wenn man den Anteil von Google-Suchen zum Thema Fußball mit den Suchen nach anderen Sportarten vergleicht. Zwar wird "Fußball" in Deutschland relativ oft gegoogelt, aber nur gerade doppelt so oft wie "Handball". Den Amerikanern ist Fußball erwartungsgemäß relativ egal: winzige 16 Prozent beträgt dort der Anteil des Fußballs an Suchen zum Thema Sport. Absoluter Spitzenreiter ist Kolumbien (85 Prozent), gefolgt von Algerien, Ghana, Nigeria, der Elfenbeinküste und Brasilien.

Nigeria, einsamer Spitzenreiter

Das Ergebnis von Karlans Zahlenspielerei ist eindeutig: Nigeria muss gewinnen, damit sich möglichst viele Menschen möglichst stark freuen können. Das Land ist eines der ärmsten im Turnier. Es hat die vierthöchste Begeisterung für Fußball aller Teilnehmerländer. Und es hat mehr Einwohner als die drei Achtelfinalisten Deutschland, Frankreich und die Schweiz zusammengenommen. Auf dem zweiten Platz folgt Brasilien. Doch in Karlans Rechnung wäre das kombinierte Glück aller Brasilianer bereits nur noch knapp halb so groß wie dasjenige Nigerias. Auf Platz drei folgt Mexiko, wo wohl schon alleine der Siegestaumel von Trainer Miguel Herrera dasjenige eines kleinen Landes aufwiegen dürfte. Die großen Fußballnationen Europas schaffen es nicht einmal in die Top Ten.

Die ganze Rechnung ist mehr Spielerei als ernsthafte Kritik. Karlan hat sie aufgestellt, um dafür zu werben, dass seine Landsleute mehr Geld für Entwicklungsprojekte in der Dritten Welt spenden. Nirgendwo sonst seien der Bedarf an Geld so groß und die Kosten für Hilfsaktionen so gering. "Das Leben ist voll von Entscheidungen", schreibt er. "Also lasst uns die Entscheidungen treffen, die der Allgemeinheit am meisten nützen."

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