Seit einiger Zeit hört man aus Brasilien nichts mehr von Demonstrationen gegen die Fußball-Weltmeisterschaft. Man könnte glauben, es gäbe sie gar nicht mehr. Oder die Medien ignorierten sie, wie sie es im vergangenen Jahr zunächst taten. Also ging ich mal hin.
Die Veranstaltung fand im Zentrum von São Paulo statt. Sie war als Großdemonstration angekündigt. Vor knapp einem Jahr kamen zu diesen Großdemos in São Paulo und Río de Janeiro mehr als eine Million Menschen. An diesem Tag kamen gerade mal eintausend. Es gab etwa so viele Veranstalter wie Teilnehmer. Es gab die Marxisten, Rentner, Schwulen, Arbeiter, Anwälte, eine Menge Studentenorganisationen und den Tomaz.
Der Tomaz hielt das größte Bettlaken hoch. Es war so knallrot wie Coco-Cola-Werbung und trug den Schriftzug "Não Vai Ter Copa" - es wird keine WM geben. Keine WM in diesem Jahr? fragte ich ihn. Doch, doch, sagte er. Das sei nur das Motto.
25 gute Gründe, um gegen die WM zu sein
Tomaz nannte eine Menge guter Gründe, um gegen die WM zu sein, etwa 25. Er nannte die hohen Kosten beim Stadionbau, die Korruption unter Fußballfunktionären, er nannte die schlechte Infrastruktur, Gesundheitsversorgung, Bildungspolitik. Er hörte gar nicht mehr auf. Er sagte, die Menge der Gründe sei ein echtes Problem. Es fehle der eine Funke. Im letzten Jahr war der Funke die Preiserhöhung im öffentlichen Nahverkehr. In diesem Jahr warten die Veranstalter noch auf den Funken. Aber vielleicht hilft die Regierung ja noch aus. Sie ist immer für eine Preiserhöhung gut.
Ein weiteres Problem ist die Gewalt, gab er zu. Seit den Ausschreitungen bei Demonstrationen im Januar bleiben viele Menschen zu Hause. Tomaz sagte, die Leute vom Schwarzen Block hätten das inzwischen eingesehen. Gewalt sei schlechte PR.
Dann kam er zum derzeit größten Problem. Das Wetter. Im Februar und März war es zu heiß für Demos. An diesem Apriltag regnete es. Wenn man eine Großveranstaltung wie die Fußball-Weltmeisterschaft kippen will, sollte das Wetter schon mitspielen. Aber der Juni sei dafür in Brasilien ohnehin der beste Monat, nicht zu heiß, nicht zu kalt und viel Sonne.
Eine kleine Großdemo im Herbstregen
Dann zogen die Menschen der kleinen Großdemo los, durch den kühlen Herbstregen von São Paulo. Es waren mehr Polizisten zu sehen als Protestler. Sie waren so schwer bewaffnet wie ihre Kollegen beim Militäreinsatz in den Favelas. Die Demonstranten riefen "Es wird keine WM geben", aber sie kamen nicht an gegen den Lärm des Feierabendverkehrs von São Paulo. Am Ende griffen einige aus dem schwarzen Block zwei Banken an und zerschlugen Fensterscheiben.
Die Bilder der Zerstörung schafften es in die Hauptnachrichten am Abend. Von der Demo selber war in den Medien nichts zu sehen.
Da rückte die WM wieder ein bisschen näher.