Bei Ihrer Premiere vor einem kanadischen Publikum beim Weltcup im März 2009 liefen Sie im Sprint und mit der Staffel gleich aufs Podest. Ein gutes Omen für Olympia?
(lacht) Ich hoffe es! Aber gute Leistungen fallen nicht vom Himmel. Man muss viel Mühe verwenden, um sich Erfolg zu erarbeiten. Ich werde auf jeden Fall mein Bestes geben und wir werden sehen, was dabei herauskommt.
Der Saisonbeginn verlief zwar mit vielen kleinen Rückschlägen etwas schleppend, doch zuletzt bewiesen Sie eine sehr gute Form. Beim Weltcup in Antholz lief es wieder sehr gut für Sie. Sie schienen zuletzt auch im Schießen wieder ihre Sicherheit wiederzufinden. Haben Sie nach der etwas schwächeren Saison 2008/2009 in der diesjährigen Saisonvorbereitung etwas umgestellt?
Oft werde ich ja als schlechte Schützin dargestellt, dabei stimmt das gar nicht. Ich weiß, dass ich schießen kann, meine Technik ist nahezu perfekt. Es liegt am Kopf und daran habe ich gearbeitet und mir auch Hilfe von jemand geholt, mit dem ich jetzt im mentalen Bereich zusammenarbeite – bisher hat es ja auch besser geklappt als im letzten Jahr!
Was sind Ihre Ziele für Vancouver ?
Dort eine Medaille zu erlangen, wäre mein größter Traum. Ich möchte auf jeden Fall Olympiasiegerin werden.
Durch Ihren Sport kommen Sie ganz schön rum: Die Wettkampfsaison führt Sie in zehn verschiedene Länder, vom Weltcup-Auftakt in Schweden bis hin zu den olympischen Spielen in Kanada. Haben Sie denn zwischen Reisen, Training und Wettkämpfen auch Zeit, sich vor Ort umzuschauen?
Ich reise sehr gern – aber während der Saison bleibt meist wenig Zeit, sich die vielen Länder, in denen wir sind, anzuschauen. Da ist man eher froh, wenn man nach so langer Zeit mal wieder in seinem eigenen Bett schlafen kann.
Hört sich fast nach einem 24-Stunden-Tag an… Bleibt da noch Zeit für die eigene Freizeit?
Naja, unser Zeitplan ist schon recht straff, aber zwischendurch muss auch mal Zeit für Familie und Hobbys sein, um abzuschalten und den Stress abzubauen.
Für Sie als heimatverbundenem Familienmenschen ist das sicher nicht leicht, oder?
Ich bin ein absoluter Familienmensch und zuhause fühle ich mich einfach am wohlsten. Da freut man sich am Ende der Saison nach so langer Zeit wirklich wieder auf daheim. Aber bei unserem vollen Terminplan und dem guten Klima im Team kommt sowieso kein Heimweh auf. Außerdem kann man ja heute zum Glück leicht über das Internet in Kontakt bleiben und auf langen Reisen gibt mir auch mein Hobby, das Stricken, ein wenig Heimatgefühl, egal wo auf der Welt ich gerade bin.
Gibt es parallelen zwischen Stricken und Biathlon? Oder schätzen Sie das Stricken, gerade weil das eine nichts mit dem anderen zu tun hat.
Naja, wie am Schießstand muss man sich auch beim Stricken konzentrieren, gerade wenn man kompliziertere Muster strickt. Und wenn man sich an größere Teile heranwagt, braucht man auch manchmal eine gehörige Portion Ausdauer.
Ausdauer brauchen Sie sicher auch ab und zu außerhalb der Loipe: Wer so erfolgreich ist wie Sie, steht automatisch im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit. Nervt Sie das manchmal?
Klar genießt man das öffentliche Interesse auch ein wenig, aber eigentlich bin ich nicht so der Mensch, der gerne im Mittelpunkt steht. Gerade während der Saison kollidieren auch oft Trainings- oder Wettkampfzeiten mit Gesprächswünschen von den Medien, da ist das dann schon manchmal anstrengend.
Leider macht der Sport in letzter Zeit auch immer wieder Negativ-Schlagzeilen: Das Thema Doping ist wieder in alle Munde. Belastet Sie das?
Ich selbst weiß, wo meine Leistung herkommt und habe auch in mehreren Interviews bereits stärkere Kontrollen für uns alle angemahnt. Ich bin für harte Strafen im Doping und langfristige Sperren. Aber vieles ist auch immer Einzelfallbetrachtung und die Diskussion über Doping birgt so manches pauschale Vorurteil in sich.
Glauben Sie, dass es im Biathlon-Sport sauber zugeht?
Nun, die Frage ist sicherlich zu verneinen, denn es gab ja bereits Dopingfälle. Man sollte einerseits nicht naiv mit dem Thema umgehen, andererseits aber auch nicht mit Pauschalisierungen arbeiten, die keine Grundlage haben. Ich als Sportler kann nur immer wieder sagen, dass wir noch stärker kontrolliert werden wollen.
Zurück zu Olympia: Sie sind bereits sechsfache Weltmeisterin und Gesamtweltcupsiegerin. Sie sind in Vancouver natürlich eine der großen Favoritinnen. Wie gehen Sie mit diesem Druck um?
Druck ist definitiv da. Aber ich weiß auch, dass ich gut trainiert habe. Was von außen erwartet wird, kann ich natürlich nicht beeinflussen, aber ich versuche, das nicht so sehr an mich heranzulassen. Wenn ich immer mein Bestes gebe, brauche ich mir auch nichts vorzuwerfen.
Nach Ihrer ersten Weltcupsaison 2006/2007 sagten Sie, dass eine olympische Medaille ihr größter Traum wäre...
Eine olympische Medaille ist wohl der Traum eines jeden ehrgeizigen Sportlers, aber Erfolge sind immer auch Ergebnis jahrelanger harter Arbeit gepaart mit dem nötigen Quäntchen Glück. Ich bin mir bewusst, dass auch viele andere Athleten hart für diese Ziele trainieren und der Kampf um die Medaillen sehr schwer wird.
Die olympischen Strecken im Whistler Olympic Parc scheinen Ihnen ja schon mal zu liegen, wie Ihre Podestplätze beim dortigen Weltcup zeigten…
Das Weltcupwochenende in Kanada letzte Saison hat mir sehr gut gefallen, Whistler ist ein schöner Wettkampfort mit einer interessanten Streckenführung, die auf jeden Fall olympia-würdig ist. Auch die Leute dort waren alle sehr freundlich und bemüht. Und natürlich wäre es die Erfüllung eines Traumes, dieses Mal – bei Olympia – wieder auf dem Treppchen zu stehen!
Magdalena Neuner
Magdalena Neuner ist die größte Hoffnungsträgerin der deutschen Biathlen bei den Olympischen Spielen in Vancouver. Die 23-Jährige kann bereits auf sechs Weltmeistertitel zurückblicken. Zudem gewann sie in der Saison 2007/2008 den Gesamtweltcup. 2007 wurde sie zu Deutschlands Sportlerin des Jahres gewählt. In Vancouver bestreitet sie ihre ersten Olympischen Spiele.