"Er hat sich innerhalb der eigenen Mannschaft und mit seinen Aussagen über Bundestrainer Peter Rohwein unsportlich verhalten. Wer mit unlauteren Mitteln agiert, hat seine Startberechtigung verloren", begründete DSV-Präsident Alfons Hörmann am Samstag die von der Verbandsspitze einstimmig getroffene Entscheidung.
Der DSV forderte Herr auf, aus dem Mannschafts-Quartier in Pragelato auszuziehen. Den vom Verband angebotenen Umzug ins Olympische Dorf in Sestriere lehnte der Schwarzwälder ab. "Das zeigt, dass er nicht team-fähig ist und gibt mir zu denken", kritisierte Mannschaftsleiter Detlef Braun.
Herr war nach seiner Niederlage in der internen Ausscheidung gegen Martin Schmitt nicht für die Olympia-Entscheidung auf der Großschanze am Samstagabend berücksichtigt worden. Der 27-Jährige hatte dies als "absolute Lachnummer" bezeichnet und die Kompetenz des Bundestrainers in Frage gestellt. "Das sieht ein Blinder mit Krückstock, dass keine fairen Bedingungen herrschten", hatte Herr geschimpft.
Stratplatz-Schummelei
Für Unmut im DSV sorgte zudem die Tatsache, dass Herr im Training am vergangenen Dienstag mit zu großen Anzügen gesprungen war und sich damit offensichtlich einen Vorteil im Rennen um den vakanten Startplatz verschaffen wollte. "Er hat mehrfach sträflich gegen das Fair Play verstoßen. Ich hätte da schon reagiert und ihn gar nicht für die Ausscheidung zugelassen", sagte Hörmann.
In einem am Freitagabend anberaumten Krisengespräch beschlossen Rohwein, DSV-Sportdirektor Thomas Pfüller und der telefonisch zugeschaltete Hörmann, den Schonacher bei den Winterspielen nicht mehr zum Einsatz kommen zu lassen. "Wir konnten das nicht durchgehen lassen", betonte Pfüller. Der DSV würde sogar einen Rückzug vom Teamspringen am Montag in Kauf nehmen, sollte einer der verbliebenen vier Springer nicht einsatzfähig sein. "Wir würden auf einen möglichen Erfolg verzichten", stellte Hörmann klar.
Die sportliche Zukunft von Herr im Deutschen Skiverband hängt nun an einem seidenen Faden. "Wenn er seine Fehler anerkennt, werden wir ihm eine Chance zum Neubeginn geben. Er hat sich beim Trainer und der Mannschaft zu entschuldigen. Sollte er dies nicht tun, würde ich für einen Ausschluss plädieren", erklärte Hörmann. Der DSV-Präsident betonte jedoch, dass Gespräche darüber erst nach den Winterspielen geführt werden sollen.
Dabei verschwieg der Schonacher jedoch, dass er im ersten Training am Dienstag mit einem regelwidrigen Anzug gesprungen war und sich damit einen besseren Gesamteindruck erschummelt hatte. "Ich will das nicht als Betrug bezeichnen, aber das war nicht in Ordnung", kritisierte Rudi Tusch, Technischer Direktor Skisprung im Deutschen Skiverband. Die DSV-Spitze will frühestens am Samstag eine Stellungnahme zu dem Vorfall abgeben. "Wir werden uns am Abend zusammensetzen und beraten", betonte Tusch.
Rohwein sah die Attacke zunächst gelassen. "Ich nehme es nicht so persönlich. Es war eine Entscheidung, die getroffen werden musste und die tut einem weh, das war klar. Ich bin nicht nach dem Training gegangen, sondern nach dem einen Wettkampf heute", erklärte der Coach, der disziplinarische Maßnahmen nicht ganz ausschloss. "Ich muss erst einmal alles Revue passieren lassen und dann entscheiden."
DPA
Flucht im Auto
Im Auto verließ Herr, der die sofortige Heimreise ankündigte, fluchtartig die Anlage in Pragelato, wo er in der Konkurrenz auf der Normalschanze am vergangenen Samstag nicht über Rang 21 hinaus gekommen war. Weil Michael Neumayer (8.) und Georg Späth (12.) durch ihre Ergebnisse einen Bonus hatten und Michael Uhrmann (4.) gesetzt war, musste der 27-Jährige in die Ausscheidung. Dort zog Herr bei wechselnden Winden gegen Schmitt den Kürzeren. "Bei unseren Versuchen herrschte ein Windunterschied von vier Metern. Wenn dieser eine Sprung entscheidet, soll Martin weiter gehen. Ob der Versuch Aussage kräftig war, ist auf Grund der irregulären Bedingungen jedoch sehr fraglich", hatte Herr in Erwartung der persönlichen Niederlage bereits nach seinem Hüpfer auf 108,5 Meter geschimpft.
Schmitt hatte 121,5 Meter vorgelegt und damit das bessere Ende für sich. "Es gab eine klare Aussage von Peter Rohwein, deshalb empfinde ich die Entscheidung nicht als Lachnummer. Alex ist alt genug und muss wissen, was er sagt", erklärte Schmitt, der sich zu Herrs zu großen Anzügen, die bessere Flugeigenschaften aufweisen, nur vorsichtig äußern wollte. "Das war für mich kein Thema. Hier ist Olympia, da springt man im Training nicht mit zu großen Anzügen", sagte der 28 Jahre alte Routinier, der pikanterweise mit Herr ein Zimmer im Appartement bewohnt. "Ich glaube nicht, dass jetzt dicke Luft herrscht", meinte der Schwarzwälder.
Auch der Berchtesgadener Michael Neumayer rechnet mit einem guten Ausgang des Konfliktes. "Wir hoffen alle, dass er da bleibt. Alex ist ein Supermann für das Teamspringen. Wir haben kein Problem, mit ihm weiter zu springen", sagte der Olympia-Debütant. Die Entscheidung für Schmitt fiel Rohwein nicht schwer. "Wir hatten vorher gesagt, der letzte Sprung entscheidet. Ich hätte Martin schon auf der kleinen Schanze einsetzen können, denn er war nicht meilenweit weg von den anderen. Martin stellt sich hier stark verbessert vor", sagte der Coach.
DPA