Box-WM im Mittelgewicht "Arroganz ist ein Zeichen von Schwäche"

Europameister Khoren Gevor fordert den Weltmeister Felix Sturm. Am Samstag Abend kommt es in der Arena auf dem Nürburgring zu einem Box-Spektakel der Extraklasse um die WM. Im Interview mit stern.de spricht Khoren Gevor über sein Verhältnis zu Sturm, Trainerlegende Fritz Sdunek und verweichlichte Fußballer.

Herr Gevor, Ihr Trainer Fritz Sdunek hat Fußballer in einem Interview kürzlich als "Weicheier" in Bezug auf Training und Vorbereitung bezeichnet. Was sagen Sie dazu?

Wenn der Trainer das gesagt hat, dann stimmt das (lacht). Aber was sind schon Fußballer? Bei der kleinsten Berührung fallen sie um. Schauen Sie, ein Boxer bekommt richtig auf die Schnauze und geht nicht runter. Das ist der Unterschied. Von daher kann man Fußballer vielleicht schon als Weicheier bezeichnen.

Wie sieht Ihr Trainingsprogramm konkret aus?

Ich trainiere vier Stunden am Tag. Zwei am Vormittag und zwei nachmittags. In der entscheidenden Phase vor dem Kampf findet dann das Sparring (Trainingskämpfe ähnlich dem Wettkampf, die Red) statt. Im Gegensatz zu anderen Boxern, die nur drei Wochen Sparring machen, absolviere ich vier Wochen. Eine Woche vor dem Kampf gehe ich dann noch mal in die Entspannungsphase.

Gegen Felix Sturm kommt es zu einem stallinternen Duell des Universum-Boxstalls. Was ist das Besondere an diesem Kampf?

Ich mag die Herausforderung und nehme sie auch gerne an. Ich stand immer im Schatten von Felix Sturm und kann diesen Schatten jetzt endlich verlassen.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Felix Sturm? Er wirkt in der Öffentlichkeit mitunter etwas eitel und arrogant.

Ich habe das schon oft gehört, dass er arrogant sein soll. Aber hinter jeder Arroganz versteckt sich immer auch eine Schwäche. Und diese Schwäche muss ich finden und ausnutzen. Ich habe allerdings nicht viel Kontakt zu Felix Sturm. Ich kämpfe nicht gegen einen Freund, sondern einen Arbeits- und Stallkollegen.

Vor jedem Boxkampf gibt es die üblichen verbalen Scharmützel und Sticheleien unter den Kontrahenten. Wollen Sie auch etwas in Richtung Felix Sturm loswerden?

Nein, so etwas ist nicht meine Art. Wissen Sie, ich gebe meine Antwort im Ring. Wir sind im Boxsport und da sprechen nur die Fäuste. Das Gerede vorher... Wir sind ja keine Schauspieler.

Beäugt man sich vor dem Kampf? Schauen Sie auch mal, was macht eigentlich mein Gegner?

Eigentlich konzentriere ich mich auf nur meine eigene Person. Natürlich interessiert es einen, wie der Gegner trainiert und Felix will das sicher auch von uns wissen. Trotzdem würde es mir im Endeffekt nicht viel bringen. Erst wenn ich dem Boxer im Ring gegenüberstehe, weiß ich Bescheid.

Gibt es schon eine taktische Marschroute wie Sie Felix Sturm knacken wollen?

Ich bleibe ich selbst. Ich boxe so wie ich immer geboxt habe. Natürlich haben wir uns schon einige Taktiken zurechtgelegt. Welche wir anwenden, wird sich dann im Kampf entscheiden.

Gibt es Schwächen, die Sie bei Felix Sturm ausgemacht haben?

Natürlich. Wie jeder andere Mensch hat auch er Schwächen und Stärken. Die haben wir bei ihm gesehen und werden uns darauf einstellen.

Was sind denn nun konkret seine Schwächen?

Die sage ich Ihnen nach dem Kampf (lacht).

In Ihrem Privatleben konstruieren Sie Modellautos und fahren damit Rennen. Ist das ein Ausgleich, den man neben dem Profisport braucht?

Auf der Rennbahn fühle ich mich wie ein Kind. Wenn ich mein Auto starte und fahre, denke ich an gar nichts. Für mich ist die Rennstrecke meine Meditation. Häufig treffe ich auch nette Menschen aus anderen Branchen, die sich nicht fürs Boxen interessieren – also eine ganz andere Atmosphäre und gute Abwechslung.

Ihren letzten WM-Kampf haben Sie gegen Arthur Abraham verloren. Wie groß ist der Druck bei Ihrem zweiten Anlauf?

Daran denke ich gar nicht. Ich bekomme es jetzt mit einem besseren Boxer als Abraham zu tun. Erstmal muss ich Felix Sturm packen und werde dann sehen, ob Abraham so mutig ist, um noch mal gegen mich zu kämpfen. Ich hoffe, bei Sauerland (Boxstall von Arthur Abraham, die Red.) haben sie die Eier dafür. Damals ist es nicht so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt habe. Der Kampf ist allerdings abgehakt, ich schaue immer nur nach vorne.

Bei Ihrem EM-Titel-Gewinn gegen Amin Asikainen kämpften Sie in Helsinki vor 10.000 enthusiastischen Finnen, auch gegen Sturm werden mehrere Tausend Fans den Kampf verfolgen. Wie wichtig ist die Kulisse beim Boxen?

In dem Moment, in dem ich in den Kampf gehe, achte ich da gar nicht drauf. Seit Monaten beschäftige ich mich Tag und Nacht mit diesem Kampf und habe dabei nur Felix Sturm vor meinen Augen. Alles andere wird ausgeblendet. Danach werfe ich auch mal einen Blick ins Publikum...

Trainerlegende Fritz Sdunek scheint auch musikalisch begabt zu sein. Nach Ihrem Sieg in Finnland soll er lautstark "Oh wie ist das schön" angestimmt haben. Stimmt das?

Ja, natürlich. Das ist unsere Musik. Nach dem Kampf hat er mir gesagt: "Khoren, du bist erst der vierte Boxer in meiner ganzen Karriere, der einen Titel im Ausland gewonnen hat." Das war für mich eine große Ehre, so etwas bekommt man nicht jeden Tag zu hören. Jetzt wollen wir bei uns zu Hause noch einen größeren Titel holen.

Über Fritz Sdunek ist bekannt, dass er ein sehr enges und freundschaftliches Verhältnis zu seinen Schützlingen pflegt. Ist das bei Ihnen auch der Fall?

Es gibt keinen anderen, dem ich im Box-Sport mehr vertraue als meinem Trainer Fritz Sdunek. Er ist für mich Vater, Mutter, Bruder und Schwester in einem.

Khoren Gevor oder Felix Sturm: Wer wird den Ring am 11. Juli als Sieger verlassen?

Wenn ich sagen würde Felix Sturm, dann bräuchte ich gar nicht in den Ring zu steigen. Wir sind gut vorbereitet. So wie ich im Moment vom Kopf her drauf bin könnte ich erst Felix Sturm boxen und dann Abraham. An einem Tag... (lacht).

Interview: Marius Koch

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