Nick Faldo ist ein Kotzbrocken. Hat einem früher jeder englische Golfreporter ungefragt erzählt. So wie nach seinem Sieg bei den British Open 1992 in Muirfield, als er eine Redensart umdrehte und seinen speziellen Freunden von der Journaille "from the heart of my bottom" dankte - "aus dem Herzen meines Hinterns". Das über Jahrzehnte ins Bodenlose gesunkene Verhältnis des sechsfachen Major-Siegers zu den Medien aber hat sich gebessert. Heute gilt Faldo vielen seiner einstigen Kritiker als charmant, umgänglich und auskunftsfreudig. Keine Spur mehr von jenem autistischen, kritikunfähigen, dem Erfolg alles unterordnenden Golfroboter früherer Jahre, sagen sie.
Woran das liegt? Ganz einfach. Nick Faldo, bald 51 Jahre alt, hat die Seiten gewechselt. Nach Golfprofi, Platzdesigner, Weinhändler und Mentor von Nachwuchsprogrammen ist er jetzt so etwas Ähnliches wie ein Journalist. Seit dreieinhalb Jahren verdingt er sich als Experte fürs US-Fernsehen, aktuell für CBS und den Spartensender Golf Channel. Die Zuschauer mögen seine Witzchen, seine spontanen Gesangseinlagen, schätzen seine sachkundigen Kommentare. Kurz: Nick Faldo ist wahnsinnig beliebt, und so gibt er sich auch. Gern erzählt er solche Geschichten: "Gestern kam auf der Straße eine Frau auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht dieser berühmte Hollywoodstar sei. Harrison Ford. Ich habe ihr gesagt, ich sei dessen Bruder Nick Ford, erst dann ist sie darauf gekommen, wer ich wirklich bin."
Längst ist Nick Faldo nicht mehr in der Lage, sich im sportlichen Wettstreit gegen die Generation Tiger Woods zu behaupten. Aber ein Rückzug auf die gemütliche Seniorentour, wie ihn der unwesentlich jüngere Bernhard Langer vergangenes Jahr vollzogen hat, kam für Nicholas Alexander Faldo nicht infrage.
Kapitän des europäischen Ryder-Cup-Teams
Der Mann ist schlichtweg zu eitel. Zum Gespräch mit dem stern erscheint er in einem etwas zu jugendlichen, weißen Dolce & Gabbana-T-Shirt, das eng anliegend Faldos definierten Oberkörper betont. Vor dem Fotoshooting bringt er mit flinken, geübten Fingertupfern sein Haar noch mal in Form. Ein letzter Blick in den Spiegel. Alles unter Kontrolle. Und: cheese.
Faldo ist in diesen Monaten ein gefragter Mann: Er ist der Kapitän des europäischen Ryder-Cup-Teams, das im September in Louisville, Kentucky, den Titel gegen Gastgeber USA zu verteidigen hat. Der Brite gilt vielen Beobachtern als Idealbesetzung. Wegen seines exzellenten Rufs in den Staaten, seiner professionellen Darstellung in der Öffentlichkeit, vor allem aber, weil er eine lebende Ryder- Cup-Legende ist. Elfmal hat der Engländer als Spieler am bedeutendsten Teamwettstreit des Golfsports teilgenommen, beim ersten Mal war er ganze 20 Jahre alt. Kein Europäer hat mehr Punkte gesammelt als Faldo.
In Louisville tritt er indes kein leichtes Erbe an. Fünfmal gingen die Europäer bei den letzten sechs Ryder Cups als Sieger vom Platz. Unter seinen beiden Vorgängern im Kapitänsamt, dem Deutschen Bernhard Langer und dem Waliser Ian Woosnam, wurden die Amerikaner jeweils mit dem Rekordergebnis von 18,5:9,5 Punkten geschlagen. Alle Fans erwarten, dass Nick Faldo Europa zum erneuten Sieg führt, aber am allermeisten Nick Faldo selbst.
Er ist zurückgekehrt
Das Problem ist nur: Darüber reden kann man mit ihm nicht. Auf die Frage, ob es in Louisville enger zugehen werde als 2004 und 2006, antwortet Faldo: "Wenn wir hellsehen könnten, würden wir auf dem Aktienmarkt sicher bessere Geschäfte machen." Immerhin sagt Mister Faldo auch: "Ich gehe dorthin, um zu gewinnen. Aber wie sich die Matches entwickeln werden, das werden wir dann sehen." Und setzt sein kokettes, gut abgehangenes Nick-Faldo-Lächeln auf. Es soll die Weisheit, Diplomatie und das Professionell- Weltmännische seiner Aussagen unterstreichen. Es ist seine Masche, mit der er sich in den vergangenen Jahren ein besseres Image erworben hat.
Schnell aber merkt er, dass sie heute nicht zieht. Weil er intuitiv realisiert hat, dass er im Gespräch hier kein Journalistenkollege ist, sondern das Objekt der Beobachtung. Eine Position, die ihm unbehaglich ist. Die Erinnerung an alte Zeiten ist in seinem Gesicht deutlich abzulesen. Es zieht sich voller Skepsis zusammen und sieht so angespannt aus, wie es in alten Zeiten gewesen sein muss. Die Presse, dein Feind. Er kontrolliert sich jetzt, bemüht sich um Contenance. Doch als die Sprache darauf kommt, dass er früher als dünnhäutig und nachtragend gegolten habe, blafft er plötzlich los: "Nachtragend? Inwiefern?" Nun ja, Sie konnten mit Kritik eben nicht besonders gut umgehen, so erzählen es langjährige Weggefährten ... "Was ist Ihre Frage!" Kurzzeitig scheint es, als werde Nick Faldo außer Kontrolle geraten. Wie in alten Tagen eben.
Beim Ryder Cup aber wird Nick Faldo nicht mehr der Außenstehende sein, der sich hinter einer gepflegt-amüsanten Analyse verstecken kann. Er ist zurückgekehrt. Mitten in jenen Wettkampf, der ihm, dem Solisten, in seiner Zeit als Spieler ausschließlich zur Profilierung des eigenen Egos diente. Als Kapitän wird er integrieren müssen, einfühlsam und geduldig sein, Fähigkeiten, die ihm mancher abspricht und von denen er selbst weiß, dass sie nicht zu seinen Stärken zählen. Faldo sagt: "Ich arbeite gerade daran, wie ich den Spielern meine Vorstellungen rüberbringe und wie wir zusammenfinden, um den Titel zu verteidigen." Viel Zeit bleibt ihm nicht. Das bekam Faldo kurz vor Beginn des diesjährigen US Masters im April erstmals so richtig zu spüren. Mit einer rüden Attacke, wie es sie in der Geschichte des Ryder Cups zuvor noch nie gegeben hatte, eröffnete sein Widerpart, US-Kapitän Paul Azinger, die Jagdsaison ganz offiziell. Jener "Zinger", mit dem Faldo bis 2006 für den US-Fernsehsender ABC ein kongeniales, unterhaltsames Expertenduo abgegeben hatte. In der britischen "Mail on Sunday" wurde Azinger zitiert, dass früher die Spieler mit Faldo "nichts zu tun haben wollten". Und weiter: "Nick Faldo hat versucht, sich neu zu erfinden. Aber wenn man ein Arschloch ist und jeder einen gehasst hat, weshalb glaubt er, dass ihn alle plötzlich mögen, weil er sich auf dem Sender pfiffig und lustig gibt?" Azinger dementierte umgehend. Doch die "Mail" konterte auf ihrer Website mit einer Audio-Datei des Interviews - Azinger hatte alles genau so gesagt. Faldo schwieg. Bleibt die Frage: Hat Azinger mit seiner These recht?
Die Antwort wird in Valhalla gegeben. So heißt der Ryder-Cup-Platz in Louisville, benannt nach Walhall, jenem letzten Ruheort gefallener tapferer Krieger in der nordischen Mythologie. Mister Faldo, wie werden Sie mit einer möglichen Niederlage in Valhalla umgehen? "Wir werden nicht verlieren", sagt Faldo. Er lächelt wieder sein Lächeln, in dem kein Zug von Selbstzweifel Platz findet. Der Ryder Cup wurde noch nie mit großer Klappe allein gewonnen. Aber es sieht alles danach aus, als erlebe die Golfwelt im September 2008 ganz großes Theater. Nick Faldo sei Dank.