Das Leben ist eine Baustelle. In Athen ist diese Plattitüde real zu bestaunen. Fast überall wird im Drei-Schichten-Rhythmus rund um die Uhr gebaut, so als wollten die Griechen in den letzten Monaten vor der Eröffnung gut machen, was sie in den ersten drei Jahren ihrer siebenjährigen Vorbereitungszeit versäumt haben.
Komplette technische Infrastruktur fehlt
Wer dieser Tage in Athen ankommt, kann nicht glauben, dass die neue Bahnlinie, die die Olympia-Stadt mit ihrem Flughafen verbinden soll, noch fertig gebaut werden kann. Entlang der Hälfte der Strecke fehlten noch die Leitungen, die die Züge mit Elektrizität versorgen werden. Laut Plan soll die Bahn Anfang Juli in Betrieb genommen werden.
Groß sind auch die Sorgen bei den Sportanlagen. Das Olympiastadion ist immer noch nicht fertig. Die Überdachung wird allen Anzeichen nach Mitte Mai fertig sein, doch die Bauarbeiten sollen bis Ende Juni weitergehen. Erst dann werden die Techniker des Fernsehens arbeiten können. "Wir müssen eben ein Wunder verwirklichen", sagt ein hoher Beamter der staatlichen griechischen Telekommunikationsgesellschaft der dpa.
Wettbewerbe in ungetesteten Arenen?
Völlig unklar ist, wann und ob der vorolympische Test der Leichtathletik stattfinden wird. "Wenn das Stadion nicht fertig ist, dann werden wir ganz einfach ohne den Test bleiben. Das ist jedoch undenkbar", sagt ein Mitglied des griechischen Leichtathletik- Verbandes (SEGAS). Mit seiner Aussage trifft er die größte Besorgnis der IOC-Führung: Dass ein wesentlicher Teil der 201 Medaillen- Wettbewerbe in ungetesteten Arenen ausgetragen wird.
Die Stimmung im Athener Organisationskomitee ist dementsprechend angespannt: "Es darf nicht mehr eine Minute verloren gehen", sagt seine Präsidentin, Gianna Angelopoulos-Daskalaki. Das aber sagt sie schon seit mehr als drei Jahren. "Auch ihr fallen mittlerweile keine neuen Ausdrücke mehr ein, um die brenzlige Lage darzustellen", meinen ihre engen Mitarbeiter.
IOC kontrolliert wie nie
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat sich längst damit abgefunden, dass die Griechen Vieles erst in letzter Minute fertig haben werden. Der Zeitpunkt für Drohungen ist längst überschritten, jetzt helfen nur noch Streicheleinheiten und eine fast durchgehende Beaufsichtigung. "Sie (die Griechen) hätten uns und sich selbst den Stress mit den Vorbereitungen ersparen können. Wir haben jedoch keine Zweifel mehr, dass alles in die Wege geleitet worden ist", hieß es am Dienstag aus der IOC-Zentrale in Lausanne. Am 10. Mai wird die IOC-Koordinierungskommission unter Leitung des Schweizers Denis Oswald erneut einfliegen. Noch nie hat das IOC es für nötig gehalten, so oft vor Ort zu sein und so intensiv auf Olympia-Organisatoren einzuwirken.
Die neue Regierung unter Ministerpräsident Kostas Karamanlis ist entschlossen, alles zu tun, damit "nach Olympia alle zufrieden sind". Am Montag wurde ein neues Verkehrs-Überwachungssystem in Betrieb genommen.
Urlaubsverbot für alle Behörden
Gleichzeitig kündigte das Innenministerium an, dass alle seine Behörden vom 1. Juli an in Alarmbereitschaft versetzt werden. "Vom 1. Juli an wird in fast allen Behörden Alarmstufe rot gelten", sagt ein Sprecher des Innenministeriums. In den Bereichen Müllabfuhr, Gesundheitssystem, Öffentliche Verkehrsmittel, Banken, Post, Telekommunikationen und Sicherheit werde keiner in den Urlaub gehen, hieß es.
Eine Milliarde Euro allein für Sicherheit
Die Sicherheit bleibt weiter für alle Beteiligten erste Priorität. Die Kosten werden inzwischen auf eine Milliarde Euro geschätzt: 650 Millionen Euro sind für den Einsatz von mehr als 70 000 Sicherheitskräfte, Militärs, Feuerwehrleute und Sicherheitssysteme kalkuliert. Hinzu kommen noch die Ausgaben für den Einsatz von mehreren AWACS-Radarflugzeugen des Frühwarnsystems der NATO und der NATO-Flotte in der Ägäis. Die Athener Spiele werden damit in dieser Hinsicht sicherlich die teuersten der Geschichte werden.