Mit einer taktischen Meisterleistung hat Andy Schleck die versammelte Konkurrenz der Tour de France verblüfft und im Kampf um den Gesamtsieg geschockt. Der Luxemburger distanzierte Cadel Evans und den katastrophal einbrechenden Alberto Contador sowie Bruder Frank auf der Königsetappe deutlich.
In der Gesamtwertung verpasste Schleck, der ein Jahr nach seinem Sieg auf dem Tourmalet einen weiteren legendären Gipfel eroberte, das Gelbe Trikot nur knapp, das weiter Thomas Voeckler trägt. Auf dem 200,5 Kilometer langen Teilstück von Pinerolo nach Serre-Chevalier auf den Galibier hatte der Franzose fast bis zum Ziel mit Evans, Frank Schleck und Ivan Basso mitgehalten und 15 Sekunden Vorsprung im Gesamtklassement gerettet.
Hauptsache nicht Vierter
"Ich habe heute Morgen gesagt, dass ich in Paris nicht Vierter werden will", sagte Andy Schleck, "ich wollte alles riskieren und hatte auch keine Angst, so früh anzugreifen. Ich habe mich super gefühlt." Ein völlig entkräfteter Voeckler sagte unter dem Jubel der französischen Fans: "600 Meter vor dem Ziel habe ich keine Luft mehr gekriegt."
Mit einer krachenden Niederlage muss sich wohl Contador vom Traum eines vierten Tour-Erfolgs verabschieden. Der Spanier hatte den Attacken nicht nur lange nichts entgegenzusetzen - 1,5 Kilometer vor dem Ziel musste er sogar abreißen lassen und brach völlig ein. Er kam als 15. ins Ziel. In der Gesamtwertung liegt der Spanier 4:29 Minuten hinter Andy Schleck.
Andy Schleck griff an
Am Freitag hat Evans, der auf der Jagd nach Schleck kurioserweise kaum Unterstützung von den anderen Top-Fahrern erhielt und sich bitter beschwerte, noch eine Chance. Auf der drittletzten Etappe stehen erneut der Galibier - der von der anderen Seite angefahren wird - sowie im Finale die Skistation L'Alpe d'Huez auf dem Programm.
Auf der Etappe über drei Berge der Ehren-Kategorie - der Col Agnel war mit 2744 Metern der höchste Punkte der Tour - hatte Andy Schleck schon am Col d'Izoard fast 60 Kilometer vor dem Ziel angegriffen. Überrascht von der Aktion setzte keiner der Klassementfahrer nach, so dass der Vorsprung stetig wuchs. Auf dem Pass lag er mehr als zwei Minuten vor dem Feld, in Briancon drei Minuten und am Fuß des letzten Berges gar knapp vier Minuten.
Keine Deutschen vorne dabei
In die Schlusssteigung zum 2645 Meter hohen Galibier, der vor 100 Jahren zum ersten Mal bei der Tour befahren worden war, hatte noch Teamkollege Maxim Monfort den Luxemburger und drei Ausreißer geführt. Auf der insgesamt 23 Kilometer langen Steigung ließ Schleck, der zwei Tage zuvor auf einer verregneten Abfahrt noch mehr als eine Minute Rückstand auf Evans und Contador kassierte hatte, dann aber der Reihe nach seine Mitstreiter stehen und steuerte unaufhaltsam dem Sieg entgegen.
Wie schon in den Pyrenäen hatte Jens Voigt im Anstieg zum Izoard per Tempoverschärfung das Hauptfeld ausgedünnt und seinem Kapitän damit den Weg zur erfolgreichen Attacke bereitet. Beim Ausgang der Etappe spielten Deutsche dann wie erwartet keine Rolle.