Hamburg - Der Skispringer Sven Hannawald rechnet nicht mit einer baldigen Rückkehr auf die Schanze. In einem Interview mit dem stern sagte der Sportler, der 2002 als erster Athlet alle Springen der Vierschanzen-Tournee gewann: "Für mich ist es jetzt erst mal ein Erfolg, dass ich mich nicht mehr ans Skispringen klammere."
Im stern erzählt Hannawald erstmals detailliert von seiner psychischen Krankheit, deretwegen er sich im Februar in eine Klinik zurückgezogen hatte: "Ich wollte dauernd weglaufen, egal, wo ich war. Das waren regelrechte Panikattacken. Mir blieb richtig die Luft weg." Zuerst habe er nicht an eine seelische Ursache geglaubt. Die Angstzustände seien aber immer unerträglicher geworden: "Es hat mich sogar überfordert, für drei Tage Klamotten einzupacken."
Rückblickend sagt Hannawald: "Ich musste manchmal zu viel Verantwortung tragen, mir war das nur nie so bewusst." Folgenschwer sei auch gewesen, dass er bereits mit zwölf Jahren die Karriere eines Leistungssportlers einschlug: "Hatte ich eine wirkliche Kindheit? Durch das Sportinternat war ich früh allein, deshalb fehlte mir die Nähe zu meinen Eltern, was einem schon von klein auf die Kraft gibt." Er habe sich letztlich nur auf seinen Sport konzentriert. "Ich wollte nie Gefühle zulassen, die es mir erschweren, meinen Weg so rigoros zu gehen, wie ich das immer gemacht habe", sagt der 30-Jährige. "Ich habe mich immer nur wie in einem abgesperrten Gebiet bewegt."
Auslöser für seinen Zusammenbruch im Vorjahr seien "Kleinigkeiten" gewesen: "Es gab zum Beispiel im Team einen Trainerwechsel, ich hatte seit langer Zeit mal wieder eine Freundin. Ich kann nicht konkret sagen, was es ausgelöst hat. Auf jeden Fall war mein Koordinatensystem plötzlich verschoben."
Auch die Erwartungen der Öffentlichkeit seien für den Medienstar vor seinen Sprüngen unerträglich geworden: "Letztes Jahr hab ich mir echt gewünscht, dass es einen Doppelgänger von mir gibt, den ich da runterschicken kann. Ich hab morgens in den Spiegel geguckt und mich gefragt: Wer bist du denn?" Nun müsse er sich "nochmal ganz neu kennen lernen. Als Mensch, nicht als Sportler."