US OPEN Fehlende Helden zur Prime Time

Montag beginnen in New York die US Open. Doch die Vorfreude hält sich merklich in Grenzen. Dem weißen Sport fehlen Idole. Aus dem »Big Apple« berichtet stern.de-Mitarbeiter Florian Bauer.

Keine 500 Meter vom Arthur Ashe Stadium entfernt tickt die Welt in anderen Rhythmen. Hier in Flushing, der Heimatstätte der US Open, kann froh sein, wer unter all den asiatischen Schriftzeichen auch die englische Übersetzung entdeckt. Oder wenn inmitten all der unbekannten Dialekte jemand des Englischen mächtig ist.

Das zweite Chinatown nennt einer im Supermarkt diesen, seinen Teil von Queens in Anspielung auf den bekannten Bezirk in Manhattan. Dabei leben hier in Flushing wahrscheinlich mehr Koreaner als Chinesen. Markthallen mit frischem Gemüse, totem und lebendigem Fisch reihen sich aneinander, geräucherte Enten hängen in verschmierten Schaufenstern, Menschen hetzen mit vollen Einkaufstüten die Strassen entlang. Stillstand ist hier ein Fremdwort. Zumindest darin ähnelt Queens sehr Manhattan.

Und wie soll das heißen? Der Besitzer der Susi-Theke gegenüber der Queens Public Library, der örtlichen Bücherei, weiß nichts von den »Juesopen«. What? Tennis? Ah, es dämmert. Ja, ja, das ist nicht weit. Aber das interessiere ihn nicht, sagt der Taiwanese, »in meinem Land spielen das nur die Reichen. Und hier doch auch.« Ali, der Zeitungsverkäufer, glaubt, dass die meisten Einwohner des Viertels gar keine Notiz nehmen würden von dem Tennisturnier.

Ob die Werbekampagne, welche die Marketingabteilung der US Open in New York gestartet hat, sie umstimmen wird? In Zeitungen wird geworben, an Bushaltestellen sind kleine, am Times Square große Plakate zu sehen. Auf denen stehen Sätze wie »Every Player. Every Thrill.« (Jeder Spieler. Jede Erregung.) In den Wagen der U-Bahn-Linie sieben wirbt selbst eine Orangensaftmarke für die US Open. Der Zug nach Flushing fährt an Leinwänden vorbei, auf denen ein Kreditkartenunternehmen Martina Hingis und Andy Roddick zur Schau stellt.

Und genau da liegt das Problem. Die führen zu keinem Thrill. »Es gibt im Tennis einfach keine Helden mehr wie früher«, sagt Ali, der auch während der US Open keine größere Anzahl an Tennismagazinen verkauft. »Da weiß man doch sowieso nicht, wer da spielt. Bei den Mets kennt man jeden Spieler.« Zwei Dinge ragen aus der flach gebauten Häuserwelt von Queens heraus, das Arthur Ashe Stadium (der Centre Court der US Open) und das Shea Stadium. Und eben dort spielen die New York Mets. Weil die Baseball und nicht Tennis spielen, wenn auch zur Zeit nicht besonders gut, und weil Baseball der Volkssport der Amerikaner ist, hat Tennis hier eigentlich nichts verloren. Seitenlang berichten die örtlichen Zeitungen über Baseball, lediglich die New York Times hat in den letzten Wochen an einer Meldungsspalte über Tennisergebnisse festgehalten.

Aber dann gibt es da ja auch noch die anderen Zahlen über ein Event, das im letzten Jahr 600.000 Menschen angelockt hat, der Stadt New York 420 Millionen Dollar brachte und 31.000 Stunden Fernsehübertragung weltweit ansammelte. »Die Menschen kommen aus der ganzen Welt, um hier Tennis zu sehen«, sagt Marc, der sich um die Akustik im Arthur Ashe Stadium kümmert. Und deshalb überträgt der Fernsehsender CBS das Frauenfinale zum ersten Mal zur besten Sendezeit live. »Unser Ziel ist es, das Damen-Tennisfinale zu einem Großen Event wie dem Super Bowl im Football zu machen«, verkündet Arlen Kantarian, der Vorsitzende des Profitennis im Amerikanischen Tennisverband.

Ereignen wird sich dieses ohne Anna Kournikova und Mary Pierce. Die haben schon einmal wegen Verletzungen abgesagt und somit die Attraktivität der Veranstaltung zumindest optisch vermindert. Einen Tipp auf den Sieger will Marc, der Techniker, nicht abgeben. Gleiches Problem: Wer spielt eigentlich? Die Williamsschwestern würden ihm wohl einfallen, Serena hat gerade das Turnier in Toronto gewonnen, bei dem Anke Huber bis ins Halbfinale kam, oder Jennifer Capriati, die Finalistin von Toronto, vielleicht.Ach und wer war noch mal Andy Roddick? Vor einem Jahr noch die Nummer 596 der Welt, gewann er die U18-US Open 2000 und ist der Aufsteiger dieser Saison mit drei Turniersiegen, dem letzten vor zwei Wochen in Washington.

Übrigens: Das Herrenfinale der diesjährigen US Open eventuell mit Patrick Rafter, dem Sieger von Indianapolis, sicherlich ohne Kiefer und Haas, wird weiter am Sonntag Nachmittag gespielt. Ganz so wichtig ist den Verantwortlichen von CBS der Tennissport dann doch nicht gewesen. Sean McManus, Präsident von CBS Sport: »Ich würde doch nicht unsere Nationale Football Liga am Sonntagabend für das Tennis-Männerfinale verschwenden.« Klarer kann das auch in Queens niemand ausdrücken.

Florian Bauer

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