Deutschland am Morgen heißt auch, dass der Stromverbrauch in die Höhe schnellt, wenn - praktisch gleichzeitig - Kaffeemaschinen, Toaster und Elektroherde angehen. Für diese Zeit muss zusätzlicher Strom her, viel und schnell. Dafür ist das neue Kraftwerk Goldhisthal in den Thüringer Bergen gebaut worden. Mit der Kraft des Wassers aus einem gewaltigen Speicher kann es auf Knopfdruck rund acht Stunden lang so viel Energie liefern wie ein mittelgroßes Atomkraftwerk.
Das Pumpspeicherkraftwerk hilft
Pumpspeicherkraftwerk nennt sich die Anlage. Am 30. September wird das 600 Millionen Euro teure Projekt offiziell in Betrieb genommen. Zur Feier 1,5 Kilometer tief im Berg hat sich auch Bundeskanzler Gerhard Schröder angesagt.
Zwei Becken als künstliche Speicher
Das Prinzip ist einfach: Nachts, wenn mehr Energie erzeugt als gebraucht wird, wird Wasser 300 Meter hoch in zwei riesige Becken gepumpt. Der künstliche Speicher fasst 13,5 Millionen Kubikmeter Wasser - so viel wie 6.000 50-Meter-Schwimmbecken. Morgens wird das Wasser abgelassen. Mit lautem Getöse strömt es durch die Stollen und treibt die Turbinen an. Die Leistung liegt bei 1.060 Megawatt.
Vattenfall verteilt
Der Strom wird direkt in das Hochspannungsnetz des Energiekonzerns Vattenfall Europe eingespeist. Anfang 2004 wird das Pumpspeicherwerk seine volle Leistung erreicht haben. Dann sollen nach und nach auch die übrigen neun Wasserkraftwerke des Unternehmens von Goldisthal aus gesteuert werden.
Das Herzstück liegt tief im Berg
Herzstück der Anlage ist die Maschinenkaverne, eine knapp 3.600 Quadratmeter große Halle im Berg. "Stellen Sie sich vor, wir haben auf der Fläche eines Fußballplatzes ein 15-stöckiges Hochhaus im Boden versenkt", beschreibt Projektleiter Wolfgang Bogenrieder die Anlage. Von den vier Turbinen arbeiten zwei angepasst an die jeweilige Energiesituation. "Das ist die bedeutendste Neuerung auf der elektrischen Seite. So können wir in kurzer Zeit von null auf hundert Prozent Leistung variieren."
Fluß Schwarza wurde gestaut
Für Wanderer im Thüringer Wald ist ein 67 Meter hoher Staudamm das markanteste Bauwerk des Kraftprotzes. Dahinter erstreckt sich das 2,4 Kilometer lange Unterbecken, entstanden durch das Aufstauen des Flusses Schwarza. Für Freizeitsportler sind die Seen aus Sicherheitsgründen tabu. Wenn die Turbinen auf Hochtouren laufen, sinkt der Wasserspiegel im Oberbecken stündlich um etwa drei Meter. Gesteuert und gewartet wird die Anlage von rund 50 Angestellten.
"Go" erst nach der Wiedervereinigung
Mit der Fertigstellung des Millionen-Projekts wird ein fast 40 Jahre alter Plan Wirklichkeit. Nach ersten Überlegungen zum Bau des Pumpspeicherkraftwerkes Mitte der 60er Jahre und der geologischen Erkundung 1972 musste das Vorhaben 1980 wegen finanzieller Schwierigkeiten auf Eis gelegt werden. Nach der Wiedervereinigung übernahm die jetzt zum Vattenfall-Konzern gehörende Vereinigte Energiewerke AG (VEAG) das Mammutvorhaben. Nach jahrelangem Rechtsstreit mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Türingen erfolgte vor rund sechs Jahren der erste Stollenanschlag.