Die Internationale Energieagentur sieht die europäischen Staaten in den kommenden Monaten vor einer ernsten Herausforderung bei der Öl- und Gasversorgung. Eine solche Energiekrise habe die Welt noch nicht erlebt, heißt es.
"Dieser Winter wird in Europa sehr, sehr schwierig werden", warnte Fatih Birol, Direktor der Internationale Energieagentur (IEA) am Dienstag auf einem Energieforum in Sydney. Die Energieversorgung sei eine große Sorge. "Das kann ernste Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben", sagte der Chef des Interessenverbands von westlichen Industriestaaten.
Nach Birols Einschätzung hat die Welt noch nie eine so tiefgreifende und komplexe Energiekrise erlebt. Er befürchte, dass "wir das Schlimmste vielleicht noch nicht gesehen haben".
Schließung der Pipeline Nord Stream 1 erhöht Sorge vor Energiekrise
Zuletzt hat sich die Sorge vor einer Energiekrise verstärkt, nachdem Russland die wichtige Gaspipeline Nord Stream 1 wegen routinemäßigen Wartungsarbeiten geschlossen hat. Seit Montagmorgen fließt kein Gas mehr durch die Leitung nach Deutschland. Es gibt die Befürchtung, dass die Pipeline nach den Arbeiten nicht wieder in Betrieb genommen wird.
Gas sparen, Kohlekraftwerke hochfahren, neue Partner suchen: So reagieren Europäer auf die gedrosselten Gaslieferungen aus Russland
Deutschland
Wasserdampf steigt aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG). Kaftwerke erleben wegen des Krieges in der Ukraine eine Konjunktur – auch wenn sie in der Kritik stehen. Laut Bundesnetzagentur ist die Versorgungslage in Deutschland aktuell "angespannt". Zwar seien die Gasspeicher zu 56,7 Prozent gefüllt und die Versorungslage damit stabil, aber sollten die Gaslieferungen weiter gekürzt werden oder ganz ausbleiben, rechnen Experten der Verbraucherzentrale mit steigenden Preisen um das Drei- bis Vierfache. Zuletzt hatte Gazprom die Gasflüsse durch die Pipeline Nord Stream 1 um 40 Prozent gedrosselt. Die Bundesregierung sieht sich deshalb genötigt, stillgelegte Kohle- und Atomkraftwerke wieder zum Laufen zu bringen, um den Strombedarf weiter zu decken. Am geplanten Kohleausstieg bis 2030 hält die Bundesregierung aber fest und bestellt deshalb Flüssiggas aus dem Ausland. Die dafür notwendigen LNG-Terminals müssen aber erst noch ausgebaut werden. Gleichzeitig rufen führende Politiker die Bevölkerung schon jetzt zum Energiesparen auf.
Mit Blick auf den Ausbau der erneuerbaren Energien, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern, verwies Birol auf die Bedeutung Chinas. Die Volksrepublik kontrolliere etwa 80 Prozent der weltweiten Lieferkette für Solarenergie. Nach Einschätzung des IEA-Direktors dürfte sich dieser Anteil in den kommenden Jahren erhöhen.