Deutsche Bahn Die Weichen knirschen beim Kurs gen Börse

Wecken im Morgengrauen und feste Schuhe sind angesagt, wenn Bahnchef Hartmut Mehdorn seine Führungskräfte zum Manöver versammelt. Vor dem Bahn-Börsengang gibt es noch viel zu tun.

Wenn Bahnchef Hartmut Mehdorn in dieser Woche die Führungskräfte des Konzerns zu einer Konferenz zusammenruft, wird es militärisch karg zugehen. Auf einem Truppenübungsplatz der Bundeswehr sollen die Manager in Mannschaftszelten übernachten, und schon im Morgengrauen heißt es "Wecken und Frühstück". Feste Schuhe sind empfohlen. Auf einen strengen Kurs will Mehdorn die Bahner auch für die nächsten Monate einschwören. Mit aller Macht soll 2004 die Fahrt in die Gewinnzone gelingen, um weiter auf das große Ziel eines Börsengangs zuzusteuern. Doch an den Weichen knirscht es gewaltig.

Nach einem eher ruhigen Sommer steht Mehdorn wieder voll unter Strom. Heftigen Ärger haben die Preiserhöhungen ausgelöst, die wegen gestiegener Energiekosten bald auf Pendler und Fernreisende zukommen sollen. In den Intercity und ICE sind trotz großer Nachfrage nach Billigtickets im Juli und August noch immer zu viele Sitze leer. Ein strikter Ausgabenstopp hat dem Bahnchef nun noch Streit eingebracht, ob wegen des Börsenziels nötige Investitionen für den Erhalt des Gleisnetzes auf der Strecke bleiben.

Mit voller Kraft voran

Die fest anvisierte "schwarze Null" in der Bilanz 2004 will die Konzernspitze auf keinen Fall gefährden. "Daran werden wir gemessen, und davon hängt für die Zukunft unseres Unternehmens sehr viel ab", lautet die Parole. Zum Halbjahr schrumpfte der Verlust bereits stark zusammen, noch immer standen aber 62 Millionen Euro minus in den Büchern. Mehdorn drängt daher ungeachtet der weiter flauen Konjunktur mit Kraft voran - und muss schon wieder an allen Fronten kämpfen.

Um die Ticketpreise im Nahverkehr erhöhen zu dürfen, braucht er grünes Licht der Länder. Doch aus den Hauptstädten kommen bisher Signale gegen eine neue Preisrunde für Millionen Pendler nach der jüngsten Anhebung um 4,1 Prozent im vergangenen Dezember. "Die Menschen haben den Eindruck, dass sich die Bahn auf Kosten der Fahrgäste für die Börse aufhübschen will", schimpft Brandenburgs Verkehrsminister Frank Szymanski (SPD). Um neue Reisende zu gewinnen, gibt es indes zugleich Kontakte mit dem Billigflieger Germanwings. Angedacht sind günstigere Tickets für Zubringerfahrten per Zug zu internationalen Flügen.

Warnung vor Investitionsstopp

Die vom Vorstand verhängten strikten Einsparungen sorgen derweil auch innerhalb des Konzerns für Unruhe. In der Personenverkehrssparte keimt die Sorge, womöglich ausfallende Instandhaltungen könnten im Fahrplan 2006 vielfach neue Langsamfahrstellen nötig machen. Dies könne Anschlüsse in Knotenpunkten gefährden, Folge wären Fahrgast- Rückgänge. Auch die Politik warnt vor einem Investitionsstopp. "Einen Börsengang auf Kosten der Fahrgäste werden wir nicht mitmachen", warnen die Grünen. Das Verkehrsministerium verweist auf jährlich 2,5 Milliarden Euro aus dem Haushalt für die Pflege des Netzes. Mehdorn versicherte schon, dies werde die Bahn "niemals" vernachlässigen.

Überhaupt ist die Frage der Bundesmittel für die Schiene bei einem möglichen Börsengang erneut ins politisches Gezerre geraten. Während Mehdorn eine Teilprivatisierung mitsamt des Schienennetzes will und dafür eine feste jährliche Finanzierung anstrebt, machen die großen Industrieverbände BDI und DIHK Druck für eine Trennung. Mit einem Gutachten wollen sie am 22. September für mehr Wettbewerb werben - auch wenn diese Linie intern nicht unumstritten ist. Am selben Tag müssen sich einige der militärisch gestählten Bahnmanager an anderer Stelle behaupten: vor Betriebsräten der Gewerkschaft Transnet.

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Sascha Meyer/DPA