Gastbeitrag Der Soli gehört abgeschafft

Zwei Drittel der Deutschen wollen den Solidaritätszuschlag abschaffen. Es ist auch höchste Zeit, dies zu tun, schreibt der Erlanger Finanzwissenschaftler Berthold Wigger in einem Gastbeitrag für stern.de. Denn einerseits sei der Soli kein Solidarbeitrag für den Osten, zweitens bereichere sich der Bund mit ihm auf Kosten der Länder.

In der Politik wird wieder laut über die Zukunft des Solidaritätszuschlags nachgedacht. Wie gewohnt hielten sich dabei Forderungen, ihn abzuschaffen, die Waage mit Forderungen, ihn beizubehalten. Die Abschaffung des Solis sei angesichts der gegenwärtig vergleichsweise entspannten Haushaltslage des Bundes möglich, sagen die einen. Seine Beibehaltung sei aufgrund des nach wie vor nicht abgeschlossenen Aufbaus Ost nötig, sagen die anderen.

Soli ist eine normale Steuer

Dass der Solidaritätszuschlag meist in einem Atemzug mit dem Aufbau Ost genannt wird, dürfte nicht zuletzt mit seinem verharmlosenden Namen zu tun haben. Der Soli dient seit je her dazu, den allgemeinen Finanzbedarf des Bundes zu decken. Er ist kein spezieller Solidarbeitrag aller deutschen Steuerzahler für den immer noch wirtschafts- und finanzschwachen Osten. Zwar standen die erstmalige Einführung des Solidaritätszuschlags im Jahr 1991 und die Wiedereinführung im Jahr 1995 zeitlich und wirtschaftlich in einem Zusammenhang mit dem Beitritt der ostdeutschen Länder und dem damit verbundenen erhöhten Finanzbedarf. Die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag waren aber zu keinem Zeitpunkt exklusiv für die Finanzierung von Ausgaben in den neuen Bundesländern bestimmt.

Berthold Wigger

Wigger ist Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg. Er beschäftigt sich mit Steuern, sozialer Sicherung und Bildungsfinanzierung.

Man sollte den Solidaritätszuschlag als eine normale Steuer auffassen und mit anderen Steuern vergleichen. Dann fällt zunächst auf, dass der Soli eine recht spezielle Steuer darstellt. Zwar bemisst sich die Steuerschuld als Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer. Die dabei entstehenden Einnahmen fallen aber nicht wie bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer dem Bund und den Ländern gemeinsam zu, sondern ausschließlich dem Bund.

Durch diese Konstruktion ist der Solidaritätszuschlag einer der wichtigsten Steuern: In diesem Jahr wird der Bund damit rund 12 Milliarden Euro einnehmen und damit annähernd so viel wie mit der Tabaksteuer, der nach der Mineralölsteuer aufkommensstärksten Steuer, die allein dem Bund zufließt. Das erklärt, warum man sich von Seiten des Bundesfinanzministeriums stets sofort gegen Änderungen beim Solidaritätszuschlag ausspricht, kaum dass solche Forderungen öffentlich werden.

Bund bereichert sich auf Kosten der Länder

Der Solidaritätszuschlag nimmt mit zunehmender Einkommen- und Körperschaftsteuerlast zu. Daher wird gelegentlich argumentiert, er sei eine besonders gerechte Steuer, weil sich seine Last stark an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientiere. Allerdings hat diese Verbindung noch eine andere Konsequenz. Als Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaft verstärkt der Solidaritätszuschlag deren negative Anreizeffekte. Diese bestehen beispielsweise darin, dass die Steuerpflichtigen weniger Arbeit anbieten oder ihre wirtschaftlichen Aktivitäten ins Ausland verlegen.

Die negativen Anreize des Solidaritätszuschlags haben übrigens noch eine weitere Auswirkung, die in der öffentlichen Diskussion bisher kaum berücksichtigt wird. Weil viele Bürger wegen des Solis versuchen, ihre Steuern zu vermindern, sinken auch die Einnahmen durch Einkommen- und Körperschaftsteuer. Davon sind neben dem Bund auch die Länder betroffen. Während freilich dem Bund exklusiv die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag zufallen, sehen sich die Länder allein mit geringeren Erlösen konfrontiert. Mit dem Solidaritätszuschlag bereichert sich der Bund demnach in gewisser Hinsicht auf Kosten der Länder.

Was soll aus dem Solidaritätszuschlag werden? Steuersystematisch ist es an der Zeit, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen. Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass die Steuerlasten beziehungsweise die Steuereinnahmen insgesamt sinken müssen. Sollten die immerhin erheblichen Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag weiterhin fiskalisch notwendig sein, so sollten diese Einnahmen in Zukunft durch eine Erhöhung bei den Einkommen- und Körperschaftsteuern oder einer anderen Steuer erzielt werden. Für die Steuerbürger würde damit transparenter werden, dass es sich bei dem Solidaritätszuschlag um eine Steuerlast handelt, die einem allgemeinen staatlichen Finanzbedarf dient und keinen spezifischen Solidarbeitrag darstellt.