Fried – Blick aus Berlin Der Kanzler und sein Soli – oder warum Christian Lindner wenig zu Lachen haben wird

Christian Lindner geht hinter Olaf Scholz bei einer Sitzung des Bundeskabinetts im Berliner Kanzleramt
Olaf Scholz und Christian Lindner bei einer Sitzung des Bundeskabinetts im Berliner Kanzleramt
© Henning Schacht / Action Press
Die FDP will den Soli abschaffen, um der Wirtschaft zu helfen. Darüber muss sie mit dem Kanzler verhandeln. Von Angela Merkel könnten die Liberalen lernen, was für ein schwerer Gang das wird.

Diesmal begeben wir uns auf das Feld der Steuerpolitik. Aber lesen Sie ruhig weiter. Es geht möglicherweise um Ihr Geld. Und es wird nicht so kompliziert, wie Sie vermuten. Einmal gibt es sogar etwas zu lachen. Vielleicht.

Also, die FDP will den Solidaritätszuschlag restlos abschaffen, um die Wirtschaft zu stützen und Leistungsträger zu entlasten. Restlos deshalb, weil den Soli seit 2021 nur noch Spitzenverdiener und Unternehmen aufbringen müssen, die Körperschaftssteuer bezahlen. Für alle anderen hat eine Bundesregierung den Soli abgeschafft, deren Finanzminister Olaf Scholz hieß.

Dazu gibt es eine kleine Geschichte: Nachdem die FDP sich aus den Sondierungen für eine Jamaika-Koalition verabschiedet hatte, kam es Anfang 2018 noch einmal zu Verhandlungen über eine große Koalition. Scholz sprach für die SPD mit Angela Merkel über Wirtschaft und Finanzen. Er war in einer guten Verhandlungsposition, weil Merkel die SPD brauchte. So konnte er sich bei manchen ihrer Forderungen auf die Hinterbeine stellen. Zum Beispiel beim Soli.

Merkel biss sich beim Soli die Zähne an Scholz aus

Merkel wollte den Solidaritätszuschlag komplett streichen, Scholz lehnte das ab. Gutverdiener sollten weiter bezahlen, fand er. "Beinhart" habe Scholz verhandelt, erinnert sich ein Zeuge. Die Kanzlerin könne sich drehen und wenden, wie sie wolle, soll Scholz gesagt haben, er werde da nicht nachgeben, nur damit die Union ihre wohlhabende Klientel beglücken könne. Scholz war so unfreundlich zur Kanzlerin, dass Merkel sich bei anderen Sozialdemokraten beschwerte. Ein leidgeprüfter Genosse winkte ab und antwortete: "Sie sollten den mal erleben, wenn er mit uns redet."

Den Soli gibt es seit 33 Jahren. Union und FDP führten ihn nach der Wiedervereinigung ein, um Geld für den wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Ländern aufzutreiben. (Seit ebenfalls 33 Jahren ist es an dieser Stelle ganz wichtig zu sagen: Den Soli zahlen nicht nur die Wessis, sondern auch die Ossis.)

Video: Lindner: "Politisch und ökonomisch müsste der Solidaritätszuschlag entfallen"
Lindner: "Politisch und ökonomisch müsste der Solidaritätszuschlag entfallen"

Heute sind noch etwa sechs Millionen Bundesbürger Soli-pflichtig, dazu etwa 500.000 Kapitalgesellschaften. Rund zwölf Milliarden Euro bringt die Steuer und stopft nicht mehr nur Straßenlöcher auf Ost-Autobahnen, sondern auch Löcher im Haushalt. Der Bundesfinanzhof hat 2023 trotzdem entschieden, dass die geltende Regelung rechtens sei, wenn auch nicht für die Ewigkeit.

Christian Lindner will nun, sechs Jahre nach Merkels Scheitern, mit Scholz mal wieder über den Soli reden. Viel Spaß, kann man da nur sagen. Der Kanzler hat zu erkennen gegeben, dass er dazu eigentlich keine Lust hat. Das Thema war schon in den Koalitionsverhandlungen der Ampel ausgeklammert worden.

Wird der Soli abgeschafft, droht das nächste Haushaltsloch

Bleibt der Kanzler gegenüber seinem Finanzminister so hartleibig wie bei Merkel, bliebe Lindner nur eine Hoffnung: das Bundesverfassungsgericht. Seit August 2020, noch aus Zeiten der FDP-Opposition, liegt in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde der liberalen Bundestagsfraktion gegen den Soli. Es ist nicht wahrscheinlich, dass das Gericht den Klägern recht gibt. Aber das hat die Koalition beim Urteil zur Schuldenbremse auch gedacht.

Und jetzt kommt’s: Sollte Karlsruhe irgendwann zugunsten der FDP entscheiden, müsste ausgerechnet deren Finanzminister Christian Lindner Einnahmen aus dem Soli zurückzahlen, schlimmstenfalls bis zurück ins Jahr 2020. Das wäre das nächste gewaltige Loch im Haushalt – eines, das die Koalition endgültig verschlingen könnte.

Nein, das war jetzt eigentlich nicht die Stelle zum Lachen.

erschienen in stenr 08/24