Kleinanleger Kühler Kopf gegen verwirrte Märkte

Von Marcus Müller
Sparschwein oder doch Aktien? Nach der Finanzkrise der letzten Tage sind viele Privatanleger verunsichert
Sparschwein oder doch Aktien? Nach der Finanzkrise der letzten Tage sind viele Privatanleger verunsichert
© Colourbox
Abwärts ging's mit den Kursen. Wegen fauler Kredite für US-Häuser. Und plötzlich wieder aufwärts, weil die US-Notenbank die Zinsen gesenkt hat. Der Markt sei verwirrt, heißt es. stern.de hat Experten befragt, wie Kleinanleger trotzdem einen kühlen Kopf bewahren.

Es war ein Sturm, der in der vergangenen Woche über die Börsen-Parkette in den USA, Asien und Deutschland fegte. Dow Jones-Index, Nikkei und der Dax gerieten derartig unter Druck, dass an den Börsen der Ausnahmezustand herrschte. Die Schweißperlen der Broker trockneten erst wieder, als die US-Notenbank (Fed) am Freitag den Diskontsatz senkte, zu dem sich Banken bei der Zentralbank Geld leihen können. Die Kurse an den Börsen gingen nach oben. Eine der turbulentesten Börsenwochen seit langem ging zu Ende.

Krise ist noch nicht vorbei

Erlauben die Aufwärtsbewegungen an den Börsen nach dem überraschenden Schritt der Fed vom Freitag und vom heutigen Handel in Asien und dem positiven Start an der Frankfurter Börse nun ein Aufatmen? Oder stehen sie nur für die Ruhe vor dem nächsten Sturm? Die US-Hypothekenkrise erwischte jedenfalls am Wochenende das nächste deutsche Geldinstitut: Die Sachsen LB musste Probleme mit einer Investmentgesellschaft einräumen, die die Kreditwürdigkeit der ganzen Bank gefährden könnten. Andere Landesbanken und Sparkassen stützen die Sachsen LB mit 17,3 Milliarden Euro.

Vorbei ist die Krise an den Finanzmärkten damit also noch lange nicht, am wenigsten in den USA und auch nicht in Deutschland. Wie gebannt beobachten jetzt alle, ob sich die US-Immobilenkrise auf den Finanzsektor beschränken lässt oder auch andere Branchen in den Strudel geraten. Für Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), ist die derzeitige Situation bisher nur eine Vertrauenskrise: "Es herrscht keine Klarheit darüber, wie hoch die Risiken bei den einzelnen Banken tatsächlich sind. Es ist noch nicht klar, wie sich das Ganze realwirtschaftlich auswirkt."

Ein Tappen im Nebel

Das heißt: Es ist noch nicht absehbar, ob Banken insgesamt bei der Kreditvergabe zurückhaltender werden und damit dann die ganze Wirtschaft leidet. "Was die Börse im Moment tut, ist Szenarien durchzuspielen", sagt Kurz. Es gehe um die Frage, ob es durch die Bankenkrise eine Delle im Wachstum geben könnte. Aber: "Die Börse ist so ahnungslos wie alle und weiß auch nicht, was am Ende herauskommt", so Kurz. "Im Moment ist es ein Tappen im Nebel und man weiß nicht, ist da vor einem ein Abgrund oder geht die Straße einfach weiter oder ist da sogar ein Anstieg?" Ähnlich sieht das Bernd Schimmer, Chefanalyst der größten deutschen Sparkasse, der Haspa in Hamburg: "Der Markt ist verwirrt."

Die Gretchenfrage in der derzeitigen Situation für den Privatanleger ist: Wie soll er reagieren? DSW-Mann Kurz hat eine klare Empfehlung: Im Moment gebe es noch immer eine "Schaukelbörse", da lohne es noch einige Tage einen klaren Trend abzuwarten. "Wir empfehlen zurzeit noch keine aggressiven Käufe in der Breite - aber auch nicht zu verkaufen", sagt Marktstratege Andreas Wex von der Dresdner Bank. "Im Moment ist die Situation eher für Zocker und Trader interessant."

Was soll man jetzt kaufen?

Jürgen Kurz empfiehlt als Basis für jedes langfristig angelegte Portfolio: Branchen, die nicht von der Konjunktur abhängig sind. "Das sind etwa Lebensmittel-Riesen wie zum Beispiel Nestlé", so Kurz, "denn man weiß, es wird auch in 150 Jahren noch getrunken oder gegessen." Allerdings sollte man in dieser Branche die Großen kaufen, die gute Gewinne machten. Grundsätzlich zu empfehlen seien auch Energieversorger, die relativ sicher seien, weil sie keine so extremen Ausschläge zu verzeichnen hätten. Er empfiehlt diese Basis-Werte in einer Schwächephase immer wieder nachzukaufen - allerdings seien sie nicht für einen schnellen Gewinn in wenigen Wochen, sondern für eine mehrjährige Anlage gedacht.

Welche Aktien soll man jetzt abstoßen?

DSW-Mann Kurz rät generell: "Wenn wir eine realwirtschaftliche Auswirkung der Bankenkrise und eine Delle im Wachstum bekommen, dann werden als erstes die Zyklika getroffen." Das sind zum Beispiel Maschinenbauer und deren Zulieferer, die Stahlproduzenten. Hersteller von Investitionsgütern könnten bei einer schlecht laufenden Konjunktur eben auch mit Werbung ihren Absatz nicht erhöhen, sagt Kurz. "Wenn Unternehmen nicht wachsen, kaufen sie schlicht keine Maschinen." Andreas Wex von der Dresdner Bank warnt vor Werten, die vom US-Konsum abhängen.

Bernd Schimmer von der Haspa rät im Moment generell dazu, die Füße still zu halten und die Turbulenzen abklingen zu lassen. Und was macht ein Anleger, der gerade investieren möchte? "Ein zwischenzeitliches Parken am Geldmarkt ist sicherlich richtig", sagt Schimmer. Letztlich bleibt Aktien-Anlegen aber einfach eine Temperamentsfrage: "Man muss wissen, ob das ein Investment ist, an das man glaubt, und bei dem man nicht nachts schweißgebadet aufwacht", sagt DSW-Mann Kurz.