CDU-Parteitag Kühler Empfang für Edmund Stoiber

Es war ein typischer Stoiber: Statt ein kurzes Grußwort zu halten beglückte der ungeliebte CSU-Chef den CDU-Parteitag mit einer Grundsatzrede. Schon vorab hatten die Delegierten dem Bayern zu verstehen gegeben, was sie von ihm halten.

Nein, richtig warm werden sie mit ihm nicht mehr werden: Bevor Edmund Stoiber auch nur die Halle betreten hatte, ließen die Delegierten ihn wissen, wie wenig Lust sie auf den CSU-Chef hatten. Sie weigerten sich einfach, ihre Debatte über die Familienpolitik zu unterbrechen, nur um sein Grußwort zu hören. Sollte er doch warten, bis sie über das kostenfreie Kindergartenjahr debattiert hatten. Herzlich egal war ihnen, dass Stoiber, mitsamt Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Generalsekretär Markus Söder, bereits seit fünf Minuten am Eingang gewartet hatte. Soll er doch. In der CDU haben sie es nicht vergessen, dass der CSU-Chef Merkel im Wahlkampf angriff, und dass er, kaum war sie Kanzlerin, die Flucht aus Berlin ergriff.

Grundsatzrede statt Grußwort

Stoiber bot in Dresden wenig, was in der Schwesterpartei neue Liebesgefühle für ihn erwecken könnte. Im Gegenteil. Er gab einen typischen Stoiber zum Besten. Statt eine kurzes Grußwort zu halten, beglückte er die Delegierten mit einer ellenlangen Grundsatzrede: Für den Vortrag des 25-seitigen Manuskrips benötigte der bayerische Landesfürst 50 Minuten. Damit sprach er zehn Minuten kürzer als die Kanzlerin am Montag, aber länger als jeder andere Redner. Nein, ein Stoiber macht jedem immer klar, wo er sich in der Hackordnung sieht: Eigentlich auf Platz eins, nur in einer Ausnahme, wenn's sein muss, auf Platz zwei. Der Applaus der Delegierten für Stoiber blieb durchweg an der unteren Grenze der Mindesthöflichkeit, aber immerhin erhoben sie sich, nachdem der bayerische Ministerpräsidenten geendet hatte.

Volkspartei mit christlichem Menschenbild

Inhaltlich setzte sich Stoiber in seinem Dauer-Grußwort vor allem mit der Rolle, der Krise und der Zukunft der Volksparteien auseinander. Dabei wiederholte er wortreich den Merkelschen Imperativ vom Montag, dass eine Volkspartei alle politischen Strömungen in sich aufnehmen müsse. "Haltet die Volksparteien stark, damit Deutschland stark bleibt", sagte der bayerische Ministerpräsident. CDU und CSU müssten liberale, konservative und soziale Konturen haben, gleichzeitig müsste die Union trotz all diese Strömungen die Mitte vertreten: "Unser Kurs der Mitte darf nicht verschwommen sein. Unsere Politik muss klare Konturen haben und unterscheidbar sein von den anderen." Dabei müsse die Politik, und da zitierte er Franz-Josef Strauß, den Bürgern "auf's Maul schauen, ohne dem Volk nach dem Mund zu reden." Mit Populismus habe das nichts zu tun. Die Unterscheidbarkeit zu anderen werde vor allem durch Werte erreicht. Die Union stehe für das christliche Menschenbild, sagte Stoiber unter anderem: "Wir in der Union müssen die christlichen Maßstäbe hochhalten, die andere längst verloren haben" Das bedeute auch, dass die Union in Deutschland nicht weniger Kirchen und mehr Moscheen wolle, sagte Stoiber.

Absage an "Hire-und-Fire"-Marktwirtschaft

Eine klare Positionierung im Richtungsstreit der CDU vermied Stoiber, auch wenn er sich, getreu der Linie der CSU, für eine erkennbar soziale Marktwirtschaft aussprach. Er bekannte sich zum Prinzip der Marktwirtschaft, sagte aber, dass in Deutschland ein sozial abgefedertes Modell der Marktwirtschaft vorherrsche. "Wir haben eine andere Sozialkultur und eine besondere Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die es in anderen Ländern so nicht gibt", sagte Stoiber. "Wir wollen in Deutschland kein 'Hire und Fire' wie in Asien oder in Amerika." Er unterstützte die Beteiligung von Arbeitnehmern am Unternehmenserfolg, den die CDU zuvor in Form eines Antrags zum Investivlohn beschlossen habe. Man wolle in Deutschland weder amerikanische Spitzengehälter für Manager, aber auch keine asiatischen Niedriglöhne für Arbeitnehmer, sagte Stoiber. "Das wollen wir nicht in Deutschland", warf er den Delegierten mit schriller Stimme entgegen.

Angriff auf die SPD

Zwar lobte Stoiber die Regierungsarbeit der Kanzlerin sowie die klar erkennbare Handschrift der Union. Gleichzeitig attackierte er den Koalitionspartner SPD jedoch unverhohlener, als dies der großkoalitionäre Kanzlerin möglich gewesen war: "Die SPD hat als Koalitionspartner bei vielen Themen blockiert und ist in sich völlig zerrissen", sagte Stoiber. Das treffe auf die Innere Sicherheit zu, auf die Videoüberwachung, auf das Bleiberecht für Ausländer, und, vor allem, auf die "Türkeifrage". Eindeutig erteilte Stoiber einem EU-Beitritt der Türkei eine klare Absage: "Die Türkei ist nicht Europa", sagte er. "Die Türkei gehört nicht nach Europa!" Aber selbst mit diesem Versuch, die Delegiertenseele für sich zu erwärmen, scheiterte Stoiber an diesem Tag. Es wurde mau geklatscht. Stoibers Besuch bei der CDU in Dresden war die langatmige Visite eines Fremden aus München.