Finanz- und Rechtsexperten haben Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der von Rot-Grün geplanten Gemeinde-Wirtschaftsteuer geäußert. Es sei "schwer zu rechtfertigen, warum künftig der selbstständige Rechtsanwalt die Gemeinde- Wirtschaftssteuer zahlen soll und der angestellte Buchhalter nicht", sagte der Richter am Bundesfinanzhof, Heinz-Jürgen Pezzer, der "Financial Times Deutschland" (Donnerstag). Der Münchner Steuerrechtler Wolfgang Schön sagte der Zeitung, die Gewerbesteuer werde zu einer "Sonder-Einkommensteuer für Unternehmen". Das könnte zu Problemen mit dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung führen.
Auch SPD-geführte Länder nicht überzeugt
Im Zuge der geplanten Reform der Gemeindefinanzen will die Bundesregierung die heutige kommunale Gewerbesteuer zu einer neuen "Gemeinde-Wirtschaftsteuer" machen. Die freien Berufe werden grundsätzlich in die Gewerbesteuerpflicht einbezogen. Die neue Kommunalbesteuerung soll 2,5 Milliarden Euro Mehreinnahmen für Städte und Gemeinden bringen. Sowohl Unions- als auch SPD-geführte Länder haben gegen die Reform Bedenken geäußert, die das Kabinett am 13. August verabschieden will.
Insgesamt 1,6 Mrd. Euro erwartet
Der Steuerexperte Paul Kirchhof forderte den Verzicht auf die Gewerbesteuer. Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht regte im "Reutlinger General-Anzeiger" (Donnerstag) stattdessen die Einführung eines Einkommensteuer-Zuschlags für Gemeinden an. Er sei dafür, dass "die Gemeinden das Recht erhalten, einen Zuschlag auf eine neu gegliederte Einkommensteuer zu erheben, die zugleich für alle Privatpersonen, Betriebe und Körperschaften gelten soll". Die gewerblichen Steuerzahler und Freiberufler sollen im Zuge der Reform mit knapp 1,6 Milliarden Euro zusätzlich zur Kasse gebeten werden. Dies geht aus Berechnungen des Bundesfinanzministeriums hervor.
Besonders betroffen: Freiberufler in Großstädten
Nach Beispielrechnungen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) sind besonders Freiberufler in großen Städten betroffen. Die neue Gemeindewirtschaftssteuer werde zum Beispiel für einen ledigen Steuerzahler mit einem Gewinn von 200.000 Euro im Jahr zu einer Mehrbelastung von 5.346 Euro führen, berichtet die "Financial Times Deutschland" unter Berufung auf den BDI. Dabei wurde ein Hebesatz von 490 Prozent für die neue Steuer zu Grunde gelegt. Dies entspricht dem Satz in Frankfurt am Main. Beträgt der Gewinn lediglich 30.000 Euro, sei die Mehrbelastung gering, bei 50.000 Euro liege sie dagegen schon bei 1.336 Euro.
Besser: Gemeinden mit niedrigen Hebesätzen
Leichte Steuersenkungen ergäben sich dagegen für Freiberufler in Gemeinden mit niedrigen Hebesätzen, zum Beispiel 250 Prozent. Bei einem Gewinn von 50.000 Euro liege die Entlastung bei 206 Euro. Grund: Die neue Steuer wird nach Angaben von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) bis zu einem Hebesatz von 388 Prozent durch die Verrechnung mit der Einkommensteuer ausgeglichen. Die geringere Belastung ergebe sich dadurch, dass der Solidarzuschlag stets auf die Einkommensteuerschuld erhoben wird. Und diese sinkt durch die Anrechnung der Gemeindewirtschaftssteuer auf die Einkommensteuerschuld.