Tricks Brutto für netto

Steuerfreie Nachtzuschläge und Arbeitslosengeld in der Sommerpause: Nirgends wird so getrickst wie beim Profi-Eishockey.

Das können wir nicht hinnehmen", polterte Finanzminister Hans Eichel im Sommer gegen den Fußballclub Borussia Dortmund, der auf die Idee gekommen war, seinen millionenschweren Kickern steuerfreie Nacht- und Feiertagszuschläge zu zahlen. Selten wurde Eichel so schnell aktiv wie in diesem Fall: Per Gesetz wird dem Steuersparmodell nun ein Ende bereitet.

Doch weniger der Fußball sorgt sich wegen der roten Karte aus Berlin. Viel heftiger zittern die deutschen Eishockeyclubs: Die treiben es in Sachen Steueroptimierung weit ungenierter als alle Kicker zusammen. Um die knappen Vereinskassen zu schonen, wird in der Liga eiskalt getrickst bis an den Rand des Erlaubten - und offenbar darüber hinaus. Dem stern liegen interne Unterlagen vor, die das System zulasten von Steuer- und Arbeitslosenkassen am Fall des Erstligisten Hannover Scorpions belegen. Branchenkenner bestätigen: Das treiben fast alle so. Und auch die Bundesanstalt in Nürnberg bemängelt "Probleme mit dem Eishockey".

Steuerfreie Zuschläge

sind bei den Hannover Scorpions an der Tagesordnung: Gut 22 Prozent schlägt der Verein seinen Spielern laut Gehaltsliste für Abend- und Sonntagsarbeit auf die Bruttogehälter drauf. Das macht bei den Spitzenverdienern des Vereins wie bei dem Schweden Fredrik Öberg über 28.000 Euro pro Saison zusätzlich und steuerfrei - zulasten der Staatskasse. "Wir spielen ja sogar am zweiten Weihnachtsfeiertag", rechtfertigt Club-Geschäftsführer Jochen Haselbacher den Kniff.

Von der umstrittenen Praxis profitieren weniger die Spieler als der angeschlagene Verein, der im unteren Tabellenviertel steht. Denn Eishockeyspieler, vor allem wenn sie aus dem Ausland kommen, denken nicht in Kategorien wie Brutto, Soli und Lohnsteuerjahresausgleich. "Die wollen wissen, was hinten rauskommt", sagt Jörn Heinemann, der Finanzberater des Clubs. Also rechnet der Verein für jeden Spieler hoch, wie er mit möglichst wenig Brutto auf das geforderte Nettogehalt kommt.

Reichen Nachtzuschläge nicht aus, werden sogar erwartete Einkommensteuerrückzahlungen des Spielers schon zu Saisonbeginn ausbezahlt. Mit erstaunlichem Resultat: So brachte es Scorpions-Spieler Öberg in der letzten Saison bei rund 130.000 Euro brutto dank aller Extras auf 127.000 Euro netto. Kollege Stefan Hellkvist erhielt bei 75.000 Euro brutto gut 71.000 ausgezahlt. Diese Praxis sei branchenüblich, versichert der Verein. Allerdings musste der Club vor kurzem jäh die Konditionen ändern: Seit ruchbar wurde, dass es verboten ist, den Spielern pauschal die Erstattungsansprüche gegenüber dem Fiskus abzukaufen, wird die Vorkasse nun als Kreditgeschäft abgewickelt - über die Stadtsparkasse Hannover.

Ähnlich trickreich operiert der Verein beim Arbeitslosengeld: Das Gros der Eishockeyspieler wird nur während der Saison für neun oder zehn Monate beschäftigt. Den Rest des Jahres sind die Spieler arbeitslos. "Die meisten gehen dann in den Urlaub", behauptet Vereinschef Jochen Haselbacher, allenfalls "zwei bis drei im Team" würden sich beim Arbeitsamt melden. Das kann nicht stimmen: Nicht nur die Bundesanstalt für Arbeit kommt zu einem anderen Ergebnis, auch Club-Finanzberater Heinemann bestätigt gegenüber dem stern: "Klar, jeder deutsche Spieler meldet sich arbeitslos."

Für Vereinschef Haselbacher

kann es in anderer Sache eng werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Es geht um angebliche Falschberechnungen bei der doppelten Haushaltsführung ausländischer Spieler. "Das Verfahren ist mehr oder weniger durch", behauptet der ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete Haselbacher. Er habe den Prozess einer Kampagne politischer Gegner zu verdanken.

Auch Scorpions-Finanzberater Heinemann bringt den Verein ins Zwielicht: 1998 verlor er seine Zulassung als Steuerberater. Die Steuerberatungsgesellschaft "Bill-Tax", unter deren Namen Heinemann im Mai vergangenen Jahres die Bilanz der Scorpions testierte, besitzt hierfür seit Oktober 2000 keine Befugnis mehr, wie ein Schreiben der zuständigen Kammer in Hamburg bestätigt. Der Testierungsmakel sei später von einem Anwalt ausgeräumt worden, sagt Heinemann: "Warum weiter in dieser Sache wühlen?"

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Johannes Röhrig