Als reich bezeichnet man sich in Deutschland eher ungerne. Da wähnt sich Millionär Friedrich Merz lieber in der "gehobenen Mittelschicht". Und Finanzminister Olaf Scholz sieht sich zwar als "Sehr-gut-Verdiener", aber "reich" sei er nun wirklich nicht.
Bei den beiden Spitzenpolitikern mag diese Selbsteinschätzung Kalkül sein, um nicht als abgehoben zu gelten. Tatsächlich unterschätzen aber viele vermögende Menschen in Deutschland ihren relativen Reichtum. So fühlten sich bei einer Befragung der Bundesbank im Jahr 2017 nicht einmal drei Prozent der Haushalte den reichsten 20 Prozent der Bevölkerung zugehörig. Eine Rechnung, die natürlich nicht aufgeht.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat nun eine Studie veröffentlicht, aus der jeder selbst ablesen kann, ob er zu den reichsten zehn Prozent der Bevölkerung gehört. Auf die Gesamtbevölkerung gesehen zählt man demnach ab einem Haushaltsnettovermögen von 477.200 Euro in diese Gruppe. Die Auswertung zeige, "dass ein Haushalt mit einer abbezahlten Immobilie in guter Lage gute Chancen hat, zu den vermögensreichsten 10 Prozent der Gesellschaft zu zählen", schreiben die Autoren.
Jüngere sind schon mit deutlich weniger dabei
Interessanter noch als der allgemeine Durchschnittswert ist die Betrachtung nach Altersgruppen. Denn vergleicht man sich nicht mit der Gesamtbevölkerung, sondern mit Gleichaltrigen, dürfen sich Jüngere schon mit deutlich geringeren Summen zu den reichsten zehn Prozent zählen. Bei den Unter-30-Jährigen ist man schon mit rund 70.000 Euro Vermögen in der Spitzengruppe angekommen. Die 30- bis 34-Jährigen benötigen schon 200.000 Euro und die 35- bis 39-Jährigen mehr als 300.000 Euro, um 90 Prozent der Gleichaltrigen hinter sich zu lassen.
Die Zahlen beziehen sich nicht auf Individualvermögen, sondern auf Haushaltsvermögen, wobei das Alter des Hauptverdieners maßgeblich für die Einordnung in die Statistik ist. Da vor allem in den 30er Jahren viel geheiratet wird, lässt sich ein Teil der Steigerung in dieser Altersgruppe wohl darauf zurückführen, dass hier zwei Vermögen in einem Haushalt zusammenkommen. Die Vermögenskurve steigt aber auch in den 40ern noch steil an. Der Peak ist bei den 55- bis 59-Jährigen erreicht: Hier benötigt man ein Vermögen von mehr als 625.000 Euro, um zu den oberen zehn Prozent zu gehören.
Tabelle: Die reichsten zehn Prozent Haushalte je Alter
Alter | Ab Haushaltsnettovermögen von… |
<30 | 71.300 Euro |
30-34 | 202.200 Euro |
35-39 | 312.900 Euro |
40-44 | 438.900 Euro |
45-49 | 519.000 Euro |
50-54 | 539.200 Euro |
55-59 | 625.400 Euro |
60-64 | 600.800 Euro |
65-69 | 581.800 Euro |
70-74 | 575.600 Euro |
75-79 | 517.700 Euro |
Quelle: IW Köln; eigene Darstellung

Zum Haushaltsvermögen zählen Immobilien sowie Finanzvermögen in Form von Tagesgeldkonten, Sparguthaben, Wertpapieren oder Versicherungen. Davon abgezogen werden alle Hypotheken und Kredite. Betriebsvermögen sind ausgeklammert. Die Zahlen stammen aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 des Statistischen Bundesamtes.
Die Vermögensunterschiede innerhalb der Altersgruppen sind den IW-Ökonomen zufolge beträchtlich. Obwohl die absoluten Summen bei Älteren höher sind, sei die relative Ungleichheit bei den Jüngeren am größten. Jeder Fünfte unter 30 weist gar ein negatives Vermögen auf - sprich: Schulden.
Ob man sich nun wirklich als "reich" bezeichnen will, wenn man zu den vermögendsten zehn Prozent gehört, bleibt Ansichtssache. In der Vermögensforschung würden Haushalte mit einem Vermögen von einer halben Million Euro in der Regel noch nicht als "reich" eingeordnet, heißt es in der Studie. Das liegt wohl auch daran, dass die Unterschiede innerhalb der reichsten zehn Prozent krasser sind als in jeder anderen Vermögensgruppe.