Gesundheit Tofu in der Kantine und das Ende der Currywurst: So gesund sollte Kantinen-Essen sein

Mehr Möhre wagen! Drei Viertel des Mittagessens sollen Empfehlungen zufolge pflanzlich sein, nur ein Viertel tierischen Ursprungs
Mehr Möhre wagen! Drei Viertel des Mittagessens sollen Empfehlungen zufolge pflanzlich sein, nur ein Viertel tierischen Ursprungs
© Paopano/Adobe Stock
Darf uns der Arbeitgeber beim Mittagessen erziehen? Ein Gespräch mit dem Kantinen-Experten Holger Pfefferle. Plus: ein Ranking gesundheitsbewusster Unternehmen.

Herr Pfefferle, VW hat in einer Kantine die Currywurst von der Speisekarte gestrichen? Zu Recht?
Ich finde das zumindest fragwürdig. Das entspricht nicht den Prinzipien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Wir sind dagegen, Verzicht zu verordnen oder Speisen zu verbieten. Unsere Philosophie ist es, das Angebot zu erweitern und mehr Wahlmöglichkeiten zu geben.

Wenn die Leute die Wahl haben, essen sie gern Currywurst. Sie ist eines der beliebtesten Kantinengerichte.
Sie ist ein Stück unserer Kultur. Man muss auf die Wünsche der Kantinengäste achten. Die Leute kommen nur, wenn es ihnen schmeckt. Ich würde deswegen nicht darüber nachdenken, ob, sondern wie man die Currywurst anbietet und welche Alternativen es gibt.

Zur ganzen Wahrheit gehört: VW hat auch nur eine Kantine auf vegetarische Gerichte umgestellt. Ein paar Schritte entfernt geht’s weiter um die Wurst.
Man kann in einem guten, ausgewogenen Speiseplan ohne Probleme eine Currywurst unterbringen. Es sollte sie halt nicht täglich geben. Es geht weniger um das einzelne Gericht, sondern den Durchschnitt über die Woche oder den ganzen Monat.

Ist die Currywurst das Hauptproblem oder die Pommes dazu?
Klar, mit Pommes rot-weiß ist man ernährungsphysiologisch nicht weit vorn. Wir schließen allerdings Paniertes oder Frittiertes bei unseren Menüempfehlungen nicht generell aus. Es kommt auf die Dosis an. Aber man kann natürlich vieles mit weniger Fett zubereiten. Auch die Wurst verliert Fett, wenn man sie richtig grillt. Der Löwenanteil im Mittagessen sollte aus pflanzlichen Lebensmitteln wie Gemüse, Salat, Hülsenfrüchten, Vollkornnudeln, Reis, Kartoffeln und Obst bestehen.

Sollen gesundheitsbewusste Arbeitgeber versuchen, ihre Mitarbeiter zu erziehen?
Nein. Die Verpflegung ist ein Teil der betrieblichen Gesundheitsförderung. Da geht es um Arbeitsschutz, Suchtprävention, Bewegung und Stressbewältigung, aber eben auch Ernährung. Eine gute Kantine kann das Bewusstsein für gesundes Essen fördern. Die Mitarbeiter sollen geführt, aber nicht manipuliert werden.

Wie funktioniert das konkret?
Mit Anstupsen. Experten sprechen vom Nudging. Man kann die Salatbar heller beleuchten. Oder vor den Kassen Obst statt Schokoriegel platzieren. Ich kenne ein Unternehmen, das beim Neubau der Küche bewusst die Zahl der Fritteusen verringert hat. Wenn die Schlangen für Currywurst mit Pommes deshalb etwas länger werden, stellen sich weniger Menschen an.

Ist das nicht ein permanenter Zielkonflikt: Das Essen soll gesund sein, aber auch beliebt.
Ich rate Unternehmen, erst mal grundsätzlich auf das Thema zu schauen. Es geht nicht nur um das Essen, sondern auch um das Drumherum. Was soll die Kantine sein? Das Betriebsrestaurant kann ein Ort der Kommunikation, der sozialen Teilhabe und Erholung sein. Dafür muss ich die Voraussetzungen schaffen und dann das entsprechende Angebot entwickeln. Und wer sagt denn, dass ein beliebtes Essen nicht gleichzeitig gesund sein kann? Hier können Köchinnen und Köche ihrer Kreativität freien Lauf lassen und beides vereinen.

Braucht ein attraktiver Arbeitgeber heute eine gute Kantine?
Ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen erkennt man oft am Betriebsrestaurant und daran, wie viel das Essen kostet. Viele jüngere Fachkräfte fragen heute ihren potenziellen Arbeitgeber: Was bekomme ich bei euch geboten? Bezahlung und Work-Life-Balance sind da wohl am wichtigsten, aber auch die Kantine ist ein Faktor, um Mitarbeiter zu gewinnen.

Hat sich das durch Corona nicht verändert?
Teilzeitarbeit und Homeoffice haben schon vorher zugenommen. Dass die Menschen fünf Tage die Woche jeweils acht Stunden im Betrieb arbeiten, wird immer seltener. Die Pandemie hat diesen Trend verstärkt. Das hat Folgen für die Kantinen. Ihre Rolle ändert sich.

Inwiefern?
Die Häufigkeit des Kantinenbesuchs sinkt, seine Bedeutung steigt. Wenn viele im Homeoffice arbeiten, werden die wenigen Gelegenheiten des persönlichen Austausches noch wichtiger. In der ersten Phase der Pandemie haben die meisten massiv darunter gelitten, dass die sozialen Kontakte bei der Arbeit weggefallen sind.

Weiß man, wie sich die Deutschen im Homeoffice ernährt haben?
Dazu gibt es keine Studien, wir können nur begründet spekulieren. Offensichtlich haben die Lieferdienste gewaltig profitiert. Zu Hause zu arbeiten heißt auch nicht automatisch, Zeit zum Kochen haben, wenn ein Meeting das nächste jagt. Viele Menschen empfinden das Kochen auch als großen Aufwand. Hier sehe ich eine Chance für die Betriebsrestaurants: etwa indem es die Möglichkeit gibt, Essen mit nach Hause zu nehmen und dann mit der Familie zu Abend zu essen.

Sie zertifizieren Unternehmen unter dem Motto "Job & Fit". Was müssen die dafür tun?
Eine Menge! Wichtig ist die Qualität und Quantität der richtigen Lebensmittel, eine nährstoffschonende Zubereitung und ein niedriger Verarbeitungsgrad der Lebensmittel. Erforderlich ist zudem die Kommunikation mit dem Gast darüber. Wichtig ist auch, dass immer vollwertige vegetarische Gerichte angeboten werden.

Was heißt das?
Es dürfen nicht nur Beilagen sein, in denen vielleicht noch ein Speckwürfel schwimmt. Mit Linsen, Kichererbsen oder Sojabohnen lassen sich wunderbare Hauptgerichte kreieren. Aber auch hier sehen wir hochverarbeitete Fleischersatzprodukte kritisch. So etwas wie Burger-Patties aus Erbsenprotein oder Soja sollte es nur einmal die Woche geben.

Um noch mal auf die Hitparade der beliebtesten Gerichte zurückzukommen: Neben der Currywurst sind dort Spaghetti Bolognese vertreten ...
Das ist ein geniales Gericht, das man ohne große Probleme nachhaltig und gesundheitsfördernd zubereiten kann. Ich kann wenig mageres Fleisch nehmen und viel Gemüse. Es ist auch möglich, das Hack ganz durch Soja oder rote Linsen zu ersetzen. Dank der Röststoffe ist das kaum zu unterscheiden. Und wenn ich dann noch Vollkornnudeln wähle, die gar nicht dunkel eingefärbt sein müssen, dann bin ich auf dem perfekten Weg.

Auf der Hitliste steht auch der panierte Fisch, oft am Freitag.
Wegen der Überfischung sind wir bei Fisch zurückhaltender geworden. Früher wurde einmal die Woche Seefisch eingefordert. Heute akzeptieren wir auch Süßwasserfisch. Panade darf sein, aber eben nicht täglich. Statt der Remoulade dürfen es leichtere Produkte sein, etwa eine Sour Creme mit frischen Kräutern. Auch der Kartoffelsalat lässt sich statt mit Mayonnaise mit Essig und Brühe ansetzen.

Und dann ist da noch die Pizza, die oft vor Fett trieft dank Salami und Käse.
Auch eine Pizza muss keine Kalorienbombe sein. Der Teig lässt sich mit Vollkornmehl zubereiten. Die Tomatensauce muss nicht aus der Tüte kommen, sondern kann mit Olivenöl und Kräutern selbst hergestellt werden. Und beim Käse schmeckt es auch mit Frischkäse oder Feta. Und nicht zuletzt: Es muss nicht immer Salami sein. Magerer Kochschinken ist eine fettarme Alternative, und Pizza ist auch ohne Fleisch ein leckeres Gericht. Am besten wird dazu noch Rohkost angeboten. Ob sie gewählt wird, entscheidet der Gast.

Herr Pfefferle, vielen Dank für das Gespräch.
Einen Moment noch. Ich habe eine Bitte an alle Kantinengäste: Loben Sie auch mal! Sagen Sie: Der Wirsing gestern war zum Niederknien. Dann strengt sich das Küchenteam am nächsten Tag noch mehr an.

Gesundheitsbewusste Unternehmen

Gesundheitsbewusste Unternehmen
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© stern

Die Methode: Wie das Ranking ermittelt wurde

Studie

Partner der Untersuchung ist das renommierte Marktforschungsunternehmen Statista. Mehr als 50.000 Beschäftigte haben mittels hochwertiger Online-Access-Panels an einer Befragung über das Internet teilgenommen: Bewertet werden konnten Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten in Deutschland. Im Vorfeld hatte Statista eine Liste von mehr als 2600 größeren Arbeitgebern in 24 Branchen recherchiert. Die Befragten konnten aber auch andere Unternehmen nennen. Bewertet wurde jeweils die Marke, mit der die Firmen öffentlich auftreten und um Mitarbeiter werben. Trotz des großen Aufwands und hoher Sorgfalt erhebt das Ranking keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Befragung fand zwischen dem 24. Juni und 9. August 2021 statt.

Beurteilt wurden die Unternehmen in acht Dimensionen: Führungskultur & Motivation, Betriebsklima, Arbeitsplatz & Ausstattung, Work-Life-Balance, Arbeitsablauf, Arbeitszeit, Kollegium, gesundheitliche Belastungen & Hygienekonzept. Anschließend wurden Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung (etwa Angebote zur gesunden Ernährung in der Kantine oder Ernährungsberatung) abgefragt und bewertet. Schließlich konnten die Teilnehmer einschätzen, wie sich ihre Arbeitsbedingungen auf ihre Gesundheit auswirken. Zusätzlich erhielten die Personalabteilungen gut bewerteter Unternehmen einen Fragebogen zu gesundheitsrelevanten Prozessen und Maßnahmen (z. B. zur Beteiligung der Arbeitnehmer oder Kursen in der Arbeitszeit). Diese Befragung fand zwischen dem 23. September und 16. November 2021 statt.

Bewertung

Die Ergebnisse wurden in einen Score zwischen null und zehn umgerechnet. Wenn Unternehmensantworten vorlagen, gingen sie zu 30 Prozent in die Wertung ein, die Arbeitnehmerantworten zu 70 Prozent. In den übrigen Fällen zählt ausschließlich der Arbeitnehmerscore. Dabei machen die acht Gesundheitsdimensionen 70 Prozent aus und die Zusatzfragen zur betrieblichen Gesundheitsförderung sowie der eigenen Gesundheit 30 Prozent. Ausgezeichnet werden 100 überdurchschnittliche Unternehmen.

Transparenz

Die stern-Redaktion arbeitet nur mit Testpartnern mit hoher Expertise. Diese bringt Statista mit. Das unabhängige Marktforschungsinstitut ist für eine Vielzahl von Auftraggebern tätig. Die Neutralität der Datenerhebung und -analyse ist aber immer gewährleistet. Kein Unternehmen konnte sich um die Teilnahme an der Studie bewerben oder die Aufnahme in die Liste beeinflussen. Über den Fragebogen und das Bewertungsschema hat die stern-Redaktion entschieden. Die Ausgezeichneten haben die Möglichkeit, für ihre Außendarstellung ein stern-Siegel zu erwerben. Genauere Informationen zu den Bedingungen dieser Siegel finden Sie unter www.stern.de/siegel

Erschienen in stern 12/2022

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