Heimvorteil Mieten oder kaufen?

Miete zahlen nervt - vor allem, wenn für das gleiche Geld ein eigenes Haus finanzierbar wäre. Der stern rechnet vor, wer seinem Vermieter kündigen kann.

Die Deutschen finden Wohneigentum toll. 85 Prozent verbinden mit den eigenen vier Wänden Geborgenheit, Sicherheit und Selbstständigkeit. Vier von fünf Mietern wünschen sich einen Umzug ins eigene Häuschen oder die eigene Wohnung. Die Gründe sind vielfältig: die Unabhängigkeit vom Vermieter; der Wunsch, einen Wert zu schaffen, der an die Kinder vererbt werden kann; Wohneigentum als Altersvorsorge und nicht zuletzt die höhere Lebensqualität.

Trotzdem wohnt in Deutschland nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung (42,2 Prozent) in der eigenen Immobilie. Dabei könnten die Bedingungen für den Bau oder Kauf gar nicht besser sein. Selten war es so günstig, Wohneigentum zu erwerben. Die Zinsen für Baufinanzierungen sind niedrig wie nie, nicht einmal vier Prozent verlangen die günstigsten Banken. Vor zehn Jahren war es fast doppelt so viel. Zudem kosten Immobilien in weiten Teilen der Republik heute weniger als 1995. Jürgen Michael Schick, Vizepräsident des Immobilienverbandes Deutschland, sagt: "Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik fällt das Tief bei den Kaufpreisen mit dem bei den Zinsen zusammen." Und: Immer noch hilft der Staat mit der Eigenheimzulage. "Wetten, dass Sie sich von Ihrer Miete Ihre eigenen vier Wände leisten können?", fordert die Hamburger Sparkasse die Kunden auf ihrer Homepage auf.

Diese Wette würden Ana Ferro und Ulrich Schmitz nur zu gern annehmen. Satte 1800 Euro Miete plus Nebenkosten zahlen sie für das Haus im stadtnahen München-Laim, in dem sie mit ihren Kindern Lino, Livia und Lucia wohnen. Auf 160 Quadratmeter Wohnfläche und 1000 Quadratmeter Grundstück ist viel Platz für die fünf, aber 1800 Euro sind auch viel Geld für ein Haus aus den 50er Jahren, das wegen seiner schlechten Wärmedämmung hohe Heizkosten verschlingt und den Vorstellungen der Familie nicht wirklich entspricht. "Es tut schon weh", sagt Ana Ferro Schmitz, "dass wir so viel Geld ausgeben und am Ende des Tages nichts uns selbst gehört."

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Wie viel Haus bekäme Familie Schmitz für ihre Miete? Das hat der Frankfurter Finanzberater Max Herbst im Auftrag des stern ausgerechnet. Danach könnten die Schmitzens bei Top-Konditionen und 20 Prozent Eigenkapital ein Darlehen von 432.000 Euro bedienen. Und wenn die Familie nur zehn Prozent des Kaufpreises sowie die Kaufnebenkosten aus eigenem Geld bestreiten kann und sich die günstigen Zinskonditionen auf 15 Jahre sichert - beides verteuert das Darlehen -, ist immer noch ein Darlehen von etwa 382.000 Euro drin. Sollte da nicht was möglich sein? "Da bin ich sehr skeptisch", sagt Ana Ferro Schmitz, "wir haben ja immer wieder nach Häusern geschaut und festgestellt, dass wir uns bestenfalls ein Reihenhaus in einem Randbezirk von München leisten könnten." Das aber wollen beide Eltern nicht. Pech für die Familie, dass in München selbst Reihenhäuser in guter Lage kaum unter 550.000 Euro zu haben sind.

Auch wenn die meisten potenziellen Bauherren und Immobilienkäufer nicht vor einem Problem wie dem extrem hohen Münchner Preisniveau stehen, haben viele mit demselben Dilemma zu kämpfen: Wollen sie ein Domizil kaufen, dessen Wohnwert dem des gemieteten entspricht, müssen sie auf die Miete oft noch etwas draufpacken. Dafür soll der Immobilienkauf ja dazu dienen, ein Vermögen aufzubauen. Selbst wenn die Zinszahlung der alten Miete entspricht, kommt obendrauf noch der Betrag, mit dem das Darlehen zurückgezahlt wird. Und anders als in vergangenen Jahrzehnten kann ein Käufer nicht darauf vertrauen, dass der Wert der Immobilie fast automatisch steigt. Da die Bevölkerung in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten schrumpfen wird, ist eine geringere Nachfrage gerade nach familiengerechten Eigenheimen weit draußen auf der grünen Wiese zu erwarten.

Die Hürde zum Eigentum

wird dabei umso höher, je niedriger die Miete ist. Das haben Regina Hartstang und Ralf Gentzsch aus Kassel festgestellt. Sie bewohnen mit ihrer dreijährigen Tochter eine Fünfzimmerwohnung mit 112 Quadratmetern und zwei Balkonen, zu der sogar noch ein Schrebergarten gehört. Miete ohne Nebenkosten: äußerst günstige 420 Euro. Dafür wäre mit einem Eigengeld von etwa 15.000 Euro ein Kaufpreis von 100.000 Euro zu finanzieren. Zu wenig für eine vergleichbare Wohnung, sagt Reinhard Kilian, Inhaber der Kasseler Maklerfirma Heindrich Immobilien: "Da müsste man sehr viel Glück haben und außerdem große Geduld."

Das weiß auch Regina Hartstang. "Wir möchten ja gerne etwas kaufen und suchen schon länger. Für uns käme aber nur ein Haus oder eine Wohnung mit Garten infrage, die dicht an der Innenstadt liegen. Wir haben uns dran gewöhnt, mit dem Fahrrad überall hinzukommen. Die meisten Objekte, die wir uns angeguckt haben, kosten so ab 200.000 Euro." Dafür müsste die Familie mindestens das Doppelte der jetzigen Miete zahlen.

Modellrechnungen zeigen, dass Käufer einer Immobilie zwar die ersten 17 Jahre der Laufzeit ihrer Finanzierung mehr fürs Wohnen bezahlen als Mieter, am Ende aber profitieren. Der Münchner Immobilienfachmann Hartmut Bulwien hat beobachtet, "dass Käufer im Alter besser dastehen als Mieter. Eine Hypothek tilgen zu müssen wird zwar oft als drückend empfunden, aber dieses ,Zwangssparen" trägt später Früchte."

Ob die Rechnung am Ende tatsächlich aufgeht, hängt vor allem davon ab, wie sich Mieten und Immobilienpreise am jeweiligen Standort entwickeln und wie hoch die Zinsen sind. Sind diese nach Ablauf der Zinsbindungsfrist dramatisch gestiegen, steigen natürlich auch die Kosten des Anschlussdarlehens. Deswegen lautet der einstimmige Rat aller Fachleute: die billigen Zinsen für 15 Jahre sichern! Und: das Darlehen nicht nur mit einem, sondern wenn möglich mit zwei Prozent jährlich tilgen. Der Vergleich zeigt, warum: Tilgt man ein Darlehen über 100 000 Euro, das mit 4,25 Prozent verzinst wird, mit einem Prozent, dauert die Finanzierung 39 Jahre und zwei Monate.

Gesamtkosten: 205.202 Euro. Tilgt man dagegen mit zwei Prozent, ist man schon nach 26 Jahren und zehn Monaten damit durch und hat insgesamt nur 167.860 Euro bezahlt. Unterschied in der Monatsrate: 83,33 Euro. Daher der Rat von Max Herbst, Inhaber der FMH-Finanzberatung: "Gerade bei so niedrigen Zinsen wie im Moment sollten Sie eine möglichst hohe Tilgung vereinbaren. Gut auch: die Möglichkeit, außer der Reihe tilgen zu können, etwa mit einer Sonderzahlung des Arbeitgebers oder einer Erbschaft."

Diese Option der Sondertilgung muss man mit der Bank verhandeln - was freilich die kleinste Hürde ist auf dem Weg zu einer guten Baufinanzierung. Ein nicht zu unterschätzender Faktor für die Kaufzurückhaltung all der Mieter, die gern Wohneigentum besäßen, sind nämlich die Banken. Immer öfter verweigern sie Bauherren in spe eine Finanzierung oder bieten sie nur zu teuren Konditionen an. "Die Geldinstitute sind mittlerweile sehr restriktiv geworden", bestätigt Carolin Hegenbarth vom Immobilienverband Deutschland. Viel genauer als früher prüfen sie nicht nur die Einkommensverhältnisse des Kunden und wie oft er das Konto überzieht, sondern auch die Immobilie selbst: Lage, Zustand, künftige Wertentwicklung, Vermietbarkeit. Alles Fragen, die sich auch jeder Käufer vor dem Gang zum Notar stellen sollte.

Vor allem die Lage der Immobilie gilt bei Bankern wie bei Maklern als wichtigstes Kriterium für den Kaufpreis. Auch für Johannes Steinmetz war das Lagekriterium ausschlaggebend, sich für einen Kauf zu entscheiden. Der Controller bewohnt im Hamburger Stadtteil Niendorf eine Zweizimmerwohnung. Die 450 Euro Miete plus Nebenkosten sind ihm für 55 Quadratmeter eigentlich zu viel, erst recht, weil er die Küche auf eigene Kosten einbauen musste. Aber das gibt der Wohnungsmarkt nun mal her. Die gute Nachricht für Steinmetz: Nach den Berechnungen des stern sowie einer Einschätzung der Maklerfirma Engel & Völkers wäre für diese Miete eine Eigentumswohnung in vergleichbarer Größe und Lage finanzierbar. "Ich würde gerne kaufen", sagt Steinmetz, "zumal ich jetzt noch die Eigenheimzulage mitnehmen könnte." Auf der Streichliste der Bundesregierung steht die ganz oben.

Familie Duvaux hat sich die staatliche Wohneigentumsförderung bereits gesichert und den Sprung ins Eigentum geschafft. 600 Euro Miete bezahlt sie noch für ihre 95 Quadratmeter bei Reutlingen, aber die Sanierung ihres eigenen Hauses ein paar Kilometer entfernt läuft schon. Olivier Duvaux nimmt zwei Monate unbezahlten Urlaub, um den Altbau von 1911 auf Vordermann zu bringen. Bis auf die Heizung macht der Lkw-Fahrer alles selbst. Maria Duvaux: "Ich freu mich riesig auf unser Haus!" Und die Rechnung geht auf: 68.000 Euro Kaufpreis und 20.000 Euro Sanierungskosten stehen viele Stunden Eigenarbeit, 11.000 Euro aus einer vorzeitig aufgelösten Lebensversicherung sowie eine Mischfinanzierung aus Bauspar- und Hypothekendarlehen gegenüber. Monatliche Belastung: 582 Euro - 18 Euro weniger als die Miete.

Sven Rhode
Mitarbeit: Claudia Bahnsen, Nina Greve, Ingrid Lorbach, Mathias Rittgerott

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