Herr Fesser, Sie sind seit 16 Jahren Immobilienmakler. Warum hat ihre Zunft so einen schlechten Ruf?
Es gibt viele Makler, die ich auch persönlich unmöglich finde, weil sie ihren Job schlecht machen. In der Branche treiben sich ja alle möglichen Typen rum. Aber was die Leute oft nicht sehen, ist die Arbeit, die sich ein ordentlicher Makler macht. Ich bin nicht einfach nur der blöde Türaufschließer.
Was tun Sie denn außer Türaufschließen?
Das Wichtigste ist die realistische Einschätzung und Ermittlung des Kaufpreises. Außerdem erstelle ich ein Exposé mit professionellen Fotos, besorge Grundbuchauszüge, Lagepläne und Energieausweise, lasse Grundrisse neu zeichnen und Wohnflächen berechnen. Und ich kenne das Objekt so gut, dass ich bei der Besichtigung auch Fragen beantworten kann.
Wie viel Arbeit haben Sie mit einem Objekt, bis Sie die Provision kassieren?
Das hängt stark davon ab, wie viele Besichtigungen ich machen muss, weil ich generell nur Einzeltermine mache. Ich würde sagen, 15 Arbeitsstunden wenn wirklich alles glatt läuft und sich sofort ein Käufer findet. Und das Zehn- bis Zwanzigfache, wenn’s richtig mies läuft. Ich habe auch schon 60 Besichtigungstermine für ein Objekt gehabt und mich nur geärgert, weil die Leute einfach nicht gekommen sind, das Exposé nicht richtig gelesen haben oder unverschämt waren.
Ein Teil des Unbehagens über Makler rührt auch daher, dass er diese unheimliche Macht hat, dem Eigentümer unter allen Interessenten seinen Favoriten zu empfehlen. Was muss man tun, um bei Ihnen zum Zuge zu kommen?
Nett sein hilft. Ein bisschen Smalltalk, den Gesprächspartner wertschätzen, seriös und unkompliziert rüberkommen. Wenn jemand unhöflich ist, alles besser weiß oder mir sonstwie blöd kommt, landet er gleich ganz weit hinten auf der Liste.
Was ist mit: mehr Geld bieten?
Die Finanzierung muss natürlich stehen. Aber wenn zwei Interessenten den geforderten Kaufpreis zahlen wollen und können, halte ich nichts davon, die Parteien in einem Bieterverfahren gegeneinander auszuspielen. Wichtiger ist, dass das Objekt zum Käufer passt und umgekehrt. Dann läuft auch die Abwicklung des Kaufs meist unkompliziert und es gibt hinterher keine Scherereien.
Welche Käufer sind für Sie die Schlimmsten?
Rechtsanwälte und Lehrer sind die Schlimmsten. Die laufen mit dem Klemmbrett durch die Gegend und suchen mit der Lupe nach Mängeln, wo keine sind. Das sind die Leute, die im Nachhinein Geld zurückfordern, weil sie die Quadratmeter nachgemessen haben und auf 0,4 Quadratmeter weniger kommen als angegeben war.
Und gibt es auch Verkäufer, die Sie in den Wahnsinn treiben?
Ja, viele haben völlig unrealistische Vorstellungen, was ihre Bude wert ist. Die rufen irgendwelche Mondpreise auf und ich soll dann einen Dummen finden, der das bezahlt. Da muss man im Vorfeld gleich die Erwartungen senken und klarmachen, was ein angemessener Preis ist.
Welche Objekte kosten die meisten Nerven?
Das Schlimmste sind Scheidungshäuser. Da muss man bis zum Schluss beten, dass beide Scheidungsparteien wirklich beim Notar aufkreuzen und den Verkauf mit ihrer Unterschrift besiegeln.
Wurden Sie schon mal in einen Scheidungskrieg reingezogen?
Es gab mal einen Fall, da wusste ich vor dem Ehemann von den Scheidungsplänen der Frau. Die hat erst mich mit dem Verkauf des gemeinsamen Hauses beauftragt und am nächsten Tag Ihrem Mann eröffnet, was Sache ist. Es sind aber noch beide halbwegs gesichtswahrend aus der Nummer rausgekommen. Bei Scheidungsfällen muss man generell sehr diplomatisch vorgehen und darf niemals Partei ergreifen. Ich bin nicht der Eheberater oder der Seelsorger, sondern der Makler.
Sebastian Fesser in Aktion: Wir haben den Hannoveraner Makler einen Tag lang bei der Arbeit begleitet. Unsere Erlebnisse lesen Sie hier.