Wirtschaft in der Corona-Pandemie Zahl der Firmenpleiten steigt erstmals seit 2019 – dennoch keine Insolvenzwelle in Sicht

Ein Geschäft verkündet die Insolvenz
Die Insolvenz-Prognosen vieler Experten laufen bisher ins Leere – auch wenn es erstmals seit November 2019 wieder mehr Firmenpleiten gab
© Hauke-Christian Dittrich / DPA
In Deutschland ist die Zahl der Firmeninsolvenzen erstmals seit September 2019 wieder gestiegen. Eine oft beschworene Insolvenzwelle bleibt aber weiter aus. Anders sieht es jedoch bei Privatinsolvenzen aus.

Eigentlich klang das Gedankenspiel vieler Wirtschaftsexperten logisch: durch die Corona-Pandemie, die zwischenzeitlichen Kontaktbeschränkungen und der Schließung etwa von Gastronomie- und Kultureinrichtungen werden viele Firmen pleite gehen. Zwar nicht sofort, weil der Staat Hilfszahlungen leistete, dann aber auf alle Fälle im Laufe des Jahres 2021. Doch diese Befürchtungen bewahrheiten sich bisher nicht. 

Laut des Statistischen Bundesamtes wurden im November 2021 insgesamt 1094 Firmeninsolvenzen gemeldet – 4,6 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Im Vergleich zu der Vor-Corona-Zeit ist dieser Wert aber noch immer gering. Er liegt 22,6 Prozent niedriger als der im November 2019. 

Laut der Behörde hätte zwischen Januar und November 2021 12.832 Unternehmen in Deutschland Insolvenz angemeldet. Auch dieser Wert liegt mit 12,2 Prozent deutlich unter dem Vorjahr.  

Pandemie, Lockdown und wenig Insolvenzen – wie passt das zusammen?

Als im März 2020 gastronomische und kulturelle Betriebe schließen mussten und die Wirtschaft in vielen Teilen heruntergefahren wurde, prophezeiten viele Wirtschaftsexperten eine Insolvenzwelle in Deutschland. Die Bundesregierung versuchte mit Corona-Hilfsgeldern und einer großzügigeren Auslegung des Kurzarbeitergeldes dagegen anzugehen. Auch die Meldepflicht für Insolvenzanträge auf Grund von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung wurde zeitweise ausgesetzt. Dementsprechend rechneten viel Experten mit deutlich mehr Firmenpleiten im Jahr 2021, da diese Meldepflicht seit dem 1. Mai 2021 wieder vollumfänglich gilt und ein Großteil der Betriebe Umsatzeinbrüche noch nicht verdaut haben. Wie also passt der vergleichsweise geringe Anstieg an Pleiten ins Bild?

Laut des Statistischen Bundesamtes sind die Hilfsgelder der Bundesregierung und das Kurzarbeitergeld die ausschlaggebenden Punkte. Diese wurden in den vergangenen Monaten immer wieder verlängert. Dies verschleiere allerdings die wahre Wirtschaftslage. "Die Nachwirkungen der Pandemie werden sich vollumfänglich erst nach Auslaufen der großzügigen Kurzarbeitergeld-Regelungen in den Insolvenzzahlen zeigen", erklärte Steffen Müller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle der DPA. 

Derzeit ist davon noch nichts zu spüren. Die beantragten Regelinsolvenzverfahren gingen von Dezember 2021 auf Januar 2022 um 17,2 Prozent zurück. Und dies werde sich so schnell auch nicht ändern, prognostiziert Müller: "Die Zahl an insolventen Personen- und Kapitalgesellschaften wird auch in den nächsten Monaten niedrig sein."

Anzahl der Privatinsolvenzen fast verdreifacht

Also alles im Lot am Wirtschaftsstandort Deutschland? Nicht ganz. Auch wenn die Anzahl der Firmenpleiten derzeit gering ist – anders sieht es bei Verbraucherinsolvenzen aus. Im Vergleich zum November 2020 stieg die Anzahl der Privatinsolvenzen um 181,4 Prozent und verdreifachte sich damit fast. Zwischen Januar und November 2021 hätten in Deutschland insgesamt 73.520 Menschen Privatinsolvenz angemeldet. 

Das Statistische Bundesamt betont jedoch, dass viele der Verfahren in diesem Zeitraum kalkuliert angemeldet wurden. So gilt seit dem 1. Oktober 2020 das neue Gesetz zur schrittweisen Verkürzung von Restschuldbefreiungsverfahren innerhalb von drei statt sechs Jahren. 

Ziel ist es, Menschen einen schnelleren wirtschaftlichen Neustart nach einem Insolvenzverfahren zu ermöglichen. Deshalb sei davon auszugehen, dass viele überschuldete Privatpersonen ihren Insolvenzantrag zurückgehalten haben, um von der Neuregelung zu profitieren. 

Wie sich die wirtschaftliche Lage und die Anzahl der Insolvenzen – ob betrieblich oder privat – in den kommenden Monaten entwickeln, ist von mehreren Faktoren abhängig. Neben dem weiteren Vorgehen zur Pandemiebekämpfung und den einhergehenden wirtschaftlichen Einschnitten könnte auch die Erhöhung des Leitzins durch die Europäische Zentralbank eine Rolle spielen. 

Sollte dieser um mehr als ein Prozent angehoben werden, könnte dies wiederum Unternehmen, die auf Kredite angewiesen sind, in (größere) finanzielle Schieflage bringen. 

Quelle: Statistisches Bundesamt, mit Material von DPA

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