Attraktive Handwerksberufe Von wegen fehlender Nachwuchs: Diese Ausbildungsberufe boomen bei Jugendlichen

Plakatmotiv des Deutschen Handwerkskammertages
Plakatmotiv des Deutschen Handwerkskammertages
© Pressebild
Haben Jugendliche heutzutage keinen Bock mehr auf eine Ausbildung im Handwerk? Ganz so pauschal stimmt der Befund nicht, zeigt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft. Es gibt sogar richtige Trendberufe.

Wer in letzter Zeit mal versucht hat, einen Handwerker zu bekommen, der weiß: Es gibt zu wenige. Seit Jahren klagt die Branche über fehlenden Nachwuchs – trotz zunehmend offensiver Anwerbeversuche. So fragt die Handwerkskammer in ihrer aktuellen Plakatkampagne die Jugendlichen ganz offen: "Wieso soll Karriere nur mit Studium gehen?“ Auf einem anderen Motiv werden gar die studierten Eltern als Schuldige dafür ausgemacht, dass sich ihre Sprösslinge beruflich anderweitig orientieren ("Was gegen Handwerk spricht? Meine Akademikereltern“). 

Aber stimmt der Befund, dass die Jugend von heute lieber irgendwas studiert, als eine Ausbildung zu machen, überhaupt so pauschal? Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kommt in einer aktuellen Analyse zu einem differenzierteren Schluss.

Richtig ist laut IW, dass die Zahl der Jugendlichen, die sich auf einen Ausbildungsplatz bewerben, in den vergangenen zehn Jahren insgesamt deutlich zurückgegangen ist. Gab es im Jahr 2011 noch 642.000 Bewerberinnen und Bewerber für eine duale Berufsausbildung, so waren es 2021 nur noch knapp 541.000. Zwar ging im gleichen Zeitraum auch die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze zurück, aber in deutlich geringerem Maß von rund 600.000 auf 536.000 Plätze. Im Ergebnis werden weniger Ausbildungsverträge geschlossen und mehr Stellen bleiben unbesetzt. 

Bewerberboom gegen den Trend

Dieser Niedergang gilt aber längst nicht für alle Ausbildungsberufe. So identifizieren die IW-Forscher in ihrer Auswertung 77 Ausbildungsberufe, in denen die Bewerberzahlen heute höher sind als vor fünf Jahren. Dem stehen 169 Berufe gegenüber, in denen die Zahl der Bewerberinnen und Bewerbern sank, in vier Berufen blieb das Niveau konstant.

In neun Berufen seien die Zahlen im betrachteten Zeitraum 2016 bis 2021 sogar gegen den allgemeinen Trend kontinuierlich Jahr für Jahr gestiegen. Und: Von diesen neun Aufsteiger-Berufen stammen acht aus Handwerk und Bau. Lediglich der Bereich Immobilienvermarktung und -verwaltung passt nicht in das Raster.

Den stärksten prozentualen Anstieg gibt es bei Baggerführern und Baggerführerinnen (plus 67 Prozent), wobei hier die absoluten Bewerberzahlen gering sind. Aber auch im Tiefbau (plus 42 Prozent) und in der Zweiradtechnik (plus 43 Prozent) gibt es enormen Zulauf. Die Dachdecker verzeichnen rund 36 Prozent mehr Bewerber, die Fliesenleger rund 31 Prozent. Zu den Trend-Berufen zählen auch Vermessungstechnik (plus 25 Prozent), Sanitär- Heizungs- und Klimatechnik (plus 23 Prozent) sowie Bauelektrik (plus 18 Prozent). 

Was Ausbildungsberufe attraktiv macht

Als Gründe für die steigende Nachfrage nach diesen Berufen nennen die IW-Autoren eine Reihe von Gründen. So herrsche in all diesen Berufen – abgesehen von der Zweiradtechnik – ein Fachkräfteengpass, sodass die Jobsicherheit groß sei. Zudem habe sich in allen genannten Berufen auch die Zahl der Ausbildungsplätze erhöht, sodass die Chance hoch ist, einen solchen zu ergattern. Die Gehälter seien – wieder mit Ausnahme der Zweiradtechnik – durchschnittlich bis überdurchschnittlich im Vergleich mit allen Berufen. Außerdem hätten sich die Berufe auch in der Corona-Pandemie als krisenfest erwiesen.

Schließlich stünden viele der genannten Berufe im Zuge der Klimawende besonders im Fokus. Dachdecker, die Solarpaneele montieren oder Heizungsexperten, die Wärmepumpen einbauen, erlebten nicht nur eine erhöhte mediale Aufmerksamkeit, sondern auch eine gesellschaftliche Aufwertung ihrer als sinnstiftend erachteten Tätigkeiten. Jugendliche können sich also durchaus für eine Ausbildung begeistern – sie muss nur attraktiv genug sein.

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