EMMA HELBERGS TAGEBUCH I love New York

Am Wochenende hat in New York der Herbst Einzug gehalten. Es regnete und stürmte ohne Unterlass. Doch die Amerikaner ließen sich nicht von ihren patriotischen Taten abschrecken. Aus New York mailt Emma Helberg.

Montag, 1. Oktober 2001, 7:55 (MESZ)

am wochenende hat in new york ganz ploetzlich der herbst einzug gehalten. es wurde kalt und ungemuetlich, regnete und stuermte ohne unterlass. doch die amerikaner liessen sich durch nichts von ihren patriotischen taten abschrecken. unbeirrt nahmen sie an fundraising-veranstaltungen teil, kauften fleissig amerika-fahnen und trugen ihre selbstgemalten schilder durch die strassen: »we will not let them destroy our spirit« - »america - land of the free« - »with liberty and justice for all. you got a problem with that?« ein wenig mehr von ihrem unschlagbaren patriotismus koennte den deutschen gelegentlich nicht schaden, ist aber unvorstellbar und unvereinbar.

am samstag, als ich durch soho schlenderte, fiel mir auf, wie einheitlich das motiv aller schaufenster ist. soweit das auge reicht, sieht man lediglich drei farben: blau, weiss, rot. ein fahnenmeer in jedem shop. mal traegt die schaufensterpuppe ein stars-and-stripes-shirt, mal liegt die fahne auf dem boden, aber irgendwo taucht sie immer auf. also wollte auch ich mich davon nicht ausschliessen und machte mich auf den weg richtung canal street. hier gibt es normalerweise alles, was das touristenherz erfreut. insbesondere natuerlich ramsch mit new york-aaufdruck. doch erstaunlicherweise musste ich an diesem tag tatsaechlich mehrere laeden abgrasen, bevor ich erfolgreich war. und ab jetzt lauf' auch ich stolz mit einem 'i love new york'-t-shirt durch die gegend.

heute traf ich einen freund, der erst seit ein paar tagen wieder in der stadt ist. er war drei wochen lang auf fotoreise, hat von

dem unglueck vor ort also nichts mitbekommen. ich wollte wissen, wie er die stadt empfindet - als aussenseiter sozusagen. was ihm als erstes auffiel, sei die ruhe in der city. geradezu besonnen wuerden die sonst ewig hetzenden new yorker erscheinen. und ausserdem faende er die neue freundlichkeit sehr angenehm. wo ist die gewohnte aggressivitaet geblieben?

das hohe polizeiaufgebot sei ihm natuerlich sofort aufgefallen, und dass die u-bahnen nicht mehr regelmaessig fahren. aber am meisten geschockt hatte ihn der anblick der neuen new yorker skyline. wie eine zahnluecke sehe es jetzt aus. am samstag ist er aus diesem grunde gleich auf das gerade wiedereroeffnete empire state buildig gefahren, um sich der tragik noch einmal zu vergewissern. traurig musste er feststellen, dass es nichts daran aenderte. manhattan fehlen die schneidezaehne.

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