Sportbereich, Jugend- oder Seniorenarbeit, Umwelt oder Flüchtlinge - in Hamburg engagieren sich freiwillig fast ein Drittel der Bürger. Trotzdem schlagen Personalchefs der großen Wohlfahrtsorganisationen Alarm. Der Koordinator für Freiwilligenarbeit beim Landesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Hamburg, Till Kobusch, klagt über rückläufige Mitgliederzahlen und eine Veralterung der Strukturen. AWO gehört zu den traditionellen Organisationen, die auf Ehrenamtliche angewiesen sind.
Freiwilligensurvey: "Die Gesellschaft wird nicht kälter"
«Man kann nicht behaupten, dass die Gesellschaft kälter oder desinteressierter ist. Die Gesellschaft wandelt sich und damit auch das Engagement», erklärt Susanne Wegener von der Behörde für Soziales und Familie in Hamburg. «Die Menschen heute lehnen das Bürokratische und Verkrustete ab und wollen lieber projektbezogen arbeiten, mitgestalten und mitreden.» Die Experten fanden nach der Befragung «Freiwilligensurvey 1999» heraus, dass Bürger, die helfen wollen, dies lieber in kleinen Organisationen tun. Hier gebe es mehr Selbstbestimmung und -verwirklichung, Zeitsouveränität, Entscheidungsfreiräume und Wahlmöglichkeiten.
Diese Strukturen sind eher in kleinen, unabhängigen Organisationen wie der «Hamburger Tafel» für Arme und Obdachlose oder in der Schularbeitenhilfe zu finden. Der viel zitierte Egoismus in der Gesellschaft stimmt wohl nur zum Teil, denn immer mehr Menschen engagieren sich ehrenamtlich. Nach der Studie wirken 56 Prozent der freiwillig Tätigen in Vereinen und kleineren Initiativen mit. In Organisationen wie der AWO und Kirchengemeinen arbeiten dagegen nur noch 27 Prozent der Engagierten.
Im Trend: Kinder- und Jugendarbeit
Warum engagieren sich Menschen eigentlich? «Ich selber war mal in einer Situation, in der ich mir gewünscht hätte, dass mir jemand anonym einen Rat gibt. Auf öffentliche Sprechstunde zu warten, würde zu lange dauern», erzählt Corinna Müller die Gründe für ihr Engagement beim Projekt Elterntelefon. Die Buchhalterin beantwortet zwei Stunden in der Woche Anrufe von Eltern mit Erziehungsproblemen. Auch Menschen, die aus ihrem Job aussteigen oder neue Berufschancen suchen, sind Ehrenamtliche. «Es engagieren sich aber vor allem Menschen, die in den Ruhestand gehen und andere soziale Kontakte suchen oder noch arbeiten möchten», erklärt Susanne Wegener von der Sozialbehörde.
«Besonders gefragt ist das Engagement in der Kinder- und Jugendarbeit», berichtet Annja Haehling von Lanzenauer vom Freiwilligen Zentrum. Sie vermittelt Leute, die sich engagieren wollen, an die geeigneten Stellen. «In den letzten Jahren hatten wir hier 35 Erstkontakte pro Monat, inzwischen sind es rund 86», bestätigt die Fachfrau das wachsende Interesse an einem Ehrenamt.