Umgerechnet rund 1,2 Millionen Euro für vier Jahre als Sekretärin? So ungefähr würde die verkürzte Zusammenfassung eines britischen Gerichtsurteils lauten. Denn ein Londoner Gericht verdonnerte die Deutsche Bank in Großbritannien dazu, einer ehemaligen Angestellten genau diese Summe für jahrelange Schikanen am Arbeitsplatz zu zahlen. Helen Green, die Betroffene, beschrieb die Zeit als vier Jahre "in der Abteilung der Hölle". Die Klägerin, die von 1997 bis 2003 bei Deutschlands größtem Geldhaus angestellt war, hatte in dem Verfahren von geschmacklosen, vulgären und boshaften Bemerkungen ihrer Kollegen berichtet. Sie habe sich schließlich mehr und mehr zurückgezogen und im Stillen geweint.
Bank muss den Preis zahlen
Die 36-Jährige sei Opfer "einer vorsätzlichen und abgestimmten Kampagne des Mobbings" anderer Mitarbeiter gewesen, sagte der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung in London. Die Vorgesetzten der Klägerin kannten die Vorfälle oder hätten von ihnen wissen müssen. Er kritisierte, das Bankhaus habe sich von Beginn der Klage an kompromisslos gezeigt. "Sie haben bis zum Schluss gekämpft. Sie haben verloren. Jetzt müssen sie den Preis zahlen", sagte er über die Vertreter der Bank. Die Deutsche Bank hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen, erklärte aber am Dienstag, sie akzeptiere die Entscheidung des Gerichts. Ob Berufung eingelegt werde, sei noch offen.
In dem Mobbing-Verfahren hatte die Klägerin berichtet, sie sei von "einer Bande" von Frauen schikaniert worden. Ein Kollege habe sie zudem sexistisch und herablassend behandelt. "Wie auch immer man es betrachtet, das Verhalten dieser Frauen war unterdrückend und unzumutbar", entschied der Richter. Nach seiner Auffassung hat die Deutsche Bank gegen ihre Pflicht verstoßen, sich um die Mitarbeiterin zu kümmern und solche Situationen im Vorfeld auszuschließen.
Vier Kolleginnen waren Triebfedern
Laut Green waren die Schikanen von vier Kolleginnen ausgegangen. Diese wären ständig über sie hergezogen. War sie im Büro, so hätten sich die Kolleginnen die Nase zugehalten und gefragt: "Was stinkt denn da so?". Außerdem wäre offen darüber geredet worden, wie man Green zum Heulen bringen könnte. Auch hätte die Kolleginnen ihre Akten und Unterlagen verschwinden lassen.
Nach zwei Nervenzusammenbrüchen war Greens Vertrag im September 2003 aufgehoben worden. Die Sekretärin hatte bereits zwei Jahre zuvor aufgehört zu arbeiten. Sie erhält insgesamt 817.317 Pfund. Dieser Betrag umfasst unter anderem Ersatz für verlorene Gehälter, Wiedergutmachung für psychische Schäden, den Verlust von Pensionsansprüchen sowie Arzthonorare.
"Mein Fall ist kein Einzelfall"
Green, die sich künftig der Wissenschaft widmen will, zeigte sich zufrieden mit dem Urteil. Sie habe das Ende eines "langen und schmerzhaften Kampfes" erreicht, sagte Green. Sie habe mit dem Verfahren ein in London weit verbreitetes Thema auf den Tisch gebracht, sagte sie und: "Mein Fall ist kein Einzelfall." Vielmehr sei Mobbing im Londoner Bankenviertel ein verbreitetes Problem.
Schadensersatzklagen sind in der Londoner Finanzwelt keine Seltenheit - meist geht es um Mobbing oder den abfälligen Umgang mit Untergebenen. So hatte ein hochrangiger Mitarbeiter bei der Broker-Firma Cantor Fitzgerald 2003 Zahlungen durchgesetzt, nachdem ihn sein Chef mit permanenten Beleidigungen zur Kündigung gebracht hatte. Zu Jahresanfang hatten zudem mehrere Beschäftigte der Investmentbank Dresdner Kleinwort - bis vor kurzem Dresdner Kleinwort Wasserstein - eine milliardenschwere Diskriminierungsklage angekündigt.