Wer von einer Kündigung betroffen ist, wie in den kommenden Monaten die Mitarbeiter von Nokia in Bochum, muss auf viele Fragen eine Antwort finden. Dabei geht es aber erst in zweiter Linie um einen neuen Job. Viel wichtiger ist direkt nach der Entlassung der Sozialplan, der die Folgen für die Betroffenen mildern soll. Als gewählte Arbeitnehmervertreter verhandelt der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber über alles, was sogenannte Betriebsänderungen angeht. Ab einer bestimmten Unternehmensgröße (mehr als 300 Beschäftigte) darf sich der Betriebsrat auch externe Berater dazuholen, bezahlen muss sie der Arbeitgeber.
Wo ist die Mitbestimmung geregelt?
Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich vor allem auf Druck der Siegermächte in Deutschland eine Gesetzgebung zur Mitbestimmung. Grundsätzlich soll die Mitbestimmung Arbeitnehmern Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen ermöglichen. Geregelt wurde dies erstmals in den Beschlüssen zur Montanmitbestimmung 1951, später in den Betriebsverfassungsgesetzen von 1952 und 1972, dem Mitbestimmungsgesetz von 1974 und dem Drittelbeteiligungsgesetz von 2004. Die Gesetzgebung schreibt unter anderem vor, wie die innerbetriebliche Mitbestimmung in Abhängigkeit der Unternehmensgröße zu organisieren ist.
Sozialplan, Abfindung, Qualifizierung
Der Sozialplan dient nach dem Betriebsverfassungsgesetz dem "Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile", die Arbeitnehmer infolge einer Betriebsänderung erleiden. Bei Nokia steckt hinter dem harmlos klingenden Wort Betriebsänderung die Schließung eines ganzen Werkes. Mitbestimmungspflichtige Betriebsänderungen können aber auch grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen sowie die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren sein.
Im Sozialplan wird in erster Linie die Höhe der Abfindungen für gekündigte Mitarbeiter geregelt. Für viele Betroffene ist das auf den ersten Blick das Wichtigste. Die zu versteuernde Abfindungssumme richtet sich für den Einzelnen nach den Arbeitsjahren im Betrieb und dem erhaltenen Bruttolohn oder -gehalt. "Die Höhe der Abfindungen ist reine Verhandlungssache, aber im Schnitt erreichen die Zahlungen etwa 0,5 bis ein Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Beschäftigung", sagt der Hamburger Rechtsanwalt mit Fachgebiet Arbeitsrecht Peter Rindsfus. Was Arbeitnehmer aber unbedingt wissen müssen: Generell besteht für den Einzelnen außerhalb eines Sozialplans kein Rechtsanspruch auf eine Abfindung.
Abfindungen sind nur ein Baustein des Sozialplans. Verhandelt wird meist auch, wie das Unternehmen die Mitarbeiter bei der Suche nach einem neuen Job unterstützen kann und wird. Das können bezahlte Schulungen und Fortbildungen sein oder auch eine Weiterqualifizierung in einer Beschäftigungsgesellschaft.
Nach der Insolvenz des taiwanesischen Hightech-Unternehmens BenQ 2006 wurden aus verschiedenen Töpfen für die Dauer von zwei Jahren zwei Auffanggesellschaften an den beiden betroffenen Standorten gegründet. Von 3300 gekündigten Mitarbeitern traten 2500 in diese Gesellschaften ein, viele konnten inzwischen in neue Jobs vermittelt werden, knapp über 1000 waren zu Jahresbeginn noch ohne Beschäftigungsperspektive. Sie erhalten nun eine Überbrückungshilfe von 2400 Euro pro Beschäftigungsjahr.
Wann ist ein Sozialplan Pflicht?
Nicht immer geht die Unternehmensseite jedoch so offensiv mit dem Thema Sozialplan um. Wann die Betriebsräte auch ohne Angebot seitens des Unternehmens einen solchen erzwingen können, hängt davon ab, wie groß der Anteil der von der Betriebsänderung Betroffenen im Verhältnis zur Gesamtzahl der Mitarbeiter ist. Bei einer Firma bis zu 59 Mitarbeitern kann der Betriebsrat einen Sozialplan erzwingen, wenn mindestens sechs Arbeitnehmer versetzt oder gekündigt werden. Bei Firmen bis zu 499 Angestellten wird ein Sozialplan Pflicht, wenn entweder zehn Prozent oder mehr als 25 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren. Bei Großunternehmen mit mehr als 600 sinkt die Quote auf fünf Prozent.
Ganz schlecht sieht es für Mitarbeiter in Firmen aus, die weniger als 20 Mitarbeiter haben, und in Firmen, in denen kein Betriebsrat gewählt wurde. Hier besteht keine Pflicht für einen Interessenausgleich, von dem auch der Sozialplan abhängig ist. Beides gehört eng zusammen, darf aber nicht miteinander verwechselt werden.
Interessenausgleich und Sozialauswahl
Beim Interessenausgleich geht es darum, zwischen Unternehmen und Betriebsrat eine Verständigung über das Ob und Wie einer geplanten Betriebsänderung zu erzielen. In den Interessenausgleich gehören Regelungen über die Art und Weise der Durchführung des Personalabbaus oder kurz gesagt: Wen trifft es, wen nicht? Das geschieht zum Beispiel über die Sozialauswahl. Ältere Alleinverdiener mit Verantwortung für eine Familie haben im Sinne einer Sozialauswahl bessere Chancen zu bleiben als der junge, gut ausgebildete Single, dem auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen eingeräumt werden.
Was auch immer konkret bei Nokia verhandelt wird, ein Knausern des Unternehmens wird der Betriebsrat nicht akzeptieren. Das Bochumer Werk gilt als profitabel, und in der Unternehmensbilanz steht ein Milliardengewinn. Zudem wird schon die massive öffentliche Empörung in Deutschland dafür sorgen, dass die Finnen für die Stilllegung samt Soazialplan tief in die Tasche greifen müssen. "Es wird überall teuer, wenn sie so etwas machen, besonders in Deutschland. Das wird nicht billig", sagte Nokia-Chef Kallasvuo.