Der Mann ist ein skrupelloser Diktator - und für viele deutsche Unternehmer ein echter Hoffnungsträger. Als Förderer des Terrors mag der libysche Staatschef Moammar Gadhafi eine hässliche Vergangenheit haben. Aber er besitzt unberührte Ölfelder, Devisenreserven von 20 Milliarden Dollar und hat jede Menge Aufträge zu vergeben.
Seit Gadhafi dem Terror abgeschworen hat - sorry, war nur so eine Idee von mir - und die Opfer entschädigt, ist in den deutschen Chefetagen das Libyen-Fieber ausgebrochen. Das verschafft dem Oberst an diesem Freitag nun auch den ersten Besuch eines deutschen Kanzlers im Wüstenstaat. Die Themen: Öl und Geld. Mit Gerhard Schröder reisen 21 Wirtschaftsführer an, Leute wie Peter Hanf, Chef der Kölner Baufirma Gebrüder von der Wettern (VDW). Der hofft, in Libyen "die fehlende Nachfrage" nach Bauprojekten in Schröder-Land "auszugleichen".
Deutschland zweitgrößter Handelspartner
Die Deutschen waren schon bisher zweitgrößter Handelspartner der Nordafrikaner. Aber nun winken auch staatliche Hermes-Bürgschaften, und der Kanzler, sagt Jochen Clausnitzer vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), "gibt politischen Flankenschutz". Die Zeit drängt, denn seit dem Ende der UN-Sanktionen drängen die Staatsgäste aus dem Westen nach Tripolis. Amerikanische Firmen rivalisieren mit den Europäern um Aufträge vom Oberst. Weil jetzt das EU-Waffenembargo fällt, kann Italien Gadhafi sogar Schnellboote verkaufen. Die sollen Libyen helfen, Flüchtlinge davon abzuhalten, per Schiff nach Sizilien zu gelangen.
Der VDW-Chef Hanf will für mehr als 150 Millionen Euro einen neuen Flughafen in Bengasi bauen - und ist "guter Dinge", dass es klappt. Die Wintershall AG wird sich bei der National Oil Company für eine von 15 neuen Bohrkonzessionen bewerben (und empfängt Schröder auf einem schon betriebenen Ölfeld in der Wüste). MAN Ferrostaal spekuliert auf Bestellungen für Pipelines und Wasserrohre. Der Baukonzern Bilfinger Berger kann auf Aufträge bei einem gigantischen Kanalprojekt quer durch die Wüste hoffen. Und Pläne für Eisenbahnlinien und mehr Telefonanschlüsse dürften Siemens interessieren.
18 Jahre lang stand das Land unter Embargo - darum ist der Nachholbedarf groß. Vor allem aber, so Clausnitzer: "Libyen ist liquide." Mit seinen Petrodollars hatte Gadhafi auch letzte Hindernisse für die Kanzler-Visite aus dem Weg geräumt. Ende September überwies die Gadhafi-Stiftung (geführt von Gadhafi-Sohn Saif al-Islam) den 168 deutschen Opfern des Anschlags auf die Berliner Discothek "La Belle" 15 Millionen Dollar. Es war die erste Rate von insgesamt 35 Millionen.
Opfer-Anwalt Hans-Joachim Ehrig erlebte den Geldtransfer freilich nicht als "besonders vertrauensbildende Maßnahme". Grund: Die Summe kam mit 22 Tagen Verspätung. Und erst, nachdem das Außenministerium zweimal den libyschen Botschafter einbestellt hatte.
Wie schwierig die Libyer als Verhandlungspartner sind, hatten schon die Franzosen erlebt. Sie trotzten Gadhafi Entschädigungen für die Hinterbliebenen der 170 Opfer einer Flugzeugkatastrophe über Niger ab. Die Gadhafi-Stiftung verlangte dafür jedoch allen Ernstes Ausgleichszahlungen von französischen Firmen, die in Libyen Geschäfte machen wollten.
Geheimabkommen und Ausgleichszahlungen
Die Familienangehörigen der Terroropfer fanden das "aberwitzig". Doch das französische Nachrichtenmagazin "Le Point" schreibt unter Berufung auf Geheimdienstinfos, dass Firmen trotzdem Geheimabkommen abschließen und ein bis drei Prozent der Vertragssummen an die Gadhafi-Stiftung überweisen. Auch deutsche Firmen zahlen laut "Le Point" den Obolus - was die unisono bestreiten. "Das höre ich zum ersten Mal", sagt Wintershall-Sprecher Michael Sasse. "Wir wären nicht in der Lage, bedeutende Spenden zu machen", beteuert Bauunternehmer Hanf.
Mit einem anderen Gadhafi-Sohn war er aber schon mal handelseinig. Der VDW-Chef und Saadi Gadhafi, Chef des libyschen Fußballverbandes und selbst Profi-Kicker in Italien, hatten eine Firma gegründet, die auf VDW-Kosten Vorstudien für die - inzwischen gescheiterte - Bewerbung der Nordafrikaner für die Fußball-WM 2010 erstellte.