Der Preiskampf im deutschen Lebensmitteleinzelhandel ist knallhart. Im Kampf um die preisbewussten deutschen Verbraucher drücken Supermarktketten und Discounter die Kosten, wo sie nur können. Aldi, Lidl, Rewe und Edeka nutzen seit Jahren ihre enorme Marktmacht, um Produzenten, zum Beispiel den Bauern, die Bedingungen zu diktieren.
Die Kehrseite der günstigen Preise beleuchtet nun eine Studie der Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam. Sie wirft den deutschen Ketten besonders schwere Versäumnisse bei der Einhaltung von Arbeitsschutz und Menschenrechten in ihren Lieferketten vor.
Insgesamt untersuchte Oxfam die Geschäftspraktiken der 16 größten Supermarkt- und Discountketten in Deutschland, Großbritannien, USA und den Niederlanden. Dafür nutzten die Studienautoren öffentlich zugängliche Informationen der Konzerne und glichen sie mit internationalen Standards zum Schutz von Menschenrechten ab. Basierend darauf vergaben die Oxfam-Autoren Punkte in den Unterkategorien Transparenz und Rechenschaftspflicht, Schutz von Arbeitern, Schutz von Kleinbauern und Schutz von Frauen.
Deutsche Vertreter schneiden schlecht ab
Die deutschen Ketten in der Untersuchung (Aldi Nord, Aldi Süd, Lidl, Rewe, Edeka) schnitten in nahezu allen Punkten schlechter ab als internationale Konkurrenten wie Sainsbury's, Tesco oder Walmart. "Der Supermarkt-Check zeigt, dass Menschenrechte in der Geschäftspolitik der deutschen Supermärkte aktuell nur eine Fußnote sind", sagt Barbara Sennholz-Weinhardt, Oxfam-Expertin für Wirtschaft und Globalisierung. "Aldi, Edeka, Lidl und Rewe müssen endlich dafür sorgen, dass die Menschen, die unsere Lebensmittel herstellen, fair behandelt werden."
Zum Unterpunkt "Arbeiter" heißt es, die Verhaltenskodizes der Supermarktketten seien - sofern vorhanden - nicht ausreichend, um den Standards der International Labour Organisation (ILO) zu genügen. Auch zum Schutz von Kleinbauern habe abgesehen von Lidl keine deutsche Kette nennenswerte Maßnahmen veröffentlicht - wenn man mal von der Nische der Fair-Trade-Produkte absieht. Besonders kritisch wird auch der Umgang mit weiblichen Kräften gesehen. Frauen hätten in den Lebensmittellieferketten zumeist die unsichersten Jobs. Dieser besonderen Schutzbedürftigkeit wird nach Ansicht von Oxfam keiner der deutschen Lebensmittelhändler gerecht.
Dass es auch anders geht, zeigt nach Ansicht von Oxfam der britische Supermarktriese Tesco, der Maßnahmen zur Einhaltung von Menschenrechten bei sich und seinen Lieferanten entwickelt habe. Auch der US-Konzern Walmart wird als positives Beispiel angeführt, weil er besondere Maßnahmen zum Schutz von Frauen ergriffen habe.
Das sagen Aldi und Co
Die kritisierten deutschen Unternehmen betonten auf stern-Anfrage, sie seien sich ihrer Verantwortung bewusst und fühlten sich der Einhaltung von Sozialstandards in ihren Lieferketten verpflichtet. Alle vier Ketten können einen ganzen Katalog von Maßnahmen herunterbeten, mit denen sie sich für fairen Handel und Menschenrechte einsetzen.
Aldi erklärte, man werde die Empfehlungen von Oxfam prüfen und "gegebenenfalls entsprechend in unserer laufenden Strategie-Entwicklung berücksichtigen". Edeka wies die Ergebnisse und Vorwürfe von Oxfam zurück, weil die Bewertung intransparent und nicht nachvollziehbar sei. "Es handelt sich hier um eine Kampagne und nicht um eine wissenschaftlich-objektive Studie."
