Benzin immer teurer Deshalb geht der Spritpreis durch die Decke

  • von Roman Heflik
Bundespräsident Horst Köhler fordert, Sprit noch teurer zu machen. Dabei ächzen Autofahrer bereits seit Wochen unter den hohen Preisen. Wer ist schuld an den neuen Höchstständen an der Tankstelle?

Bundespräsident Horst Köhler hatte seine Worte vorsichtig gewählt. In einem Interview mit dem "Focus" sagte er: "Wir sollten darüber nachdenken, ob der Preis von Benzin nicht tendenziell höher als tendenziell niedriger sein sollte." So schütze man die Umwelt. Er wisse, sagte Köhler, dass er sich mit dieser Aussage möglicherweise mit vielen anlege.

Köhlers Prophezeiung traf ein. Kurz nach der Veröffentlichung des Gesprächs widersprach Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) dem Staatschef. Der "Bild"-Zeitung sagte Ramsauer, die Ökosteuer im Benzinpreis habe bis heute keinerlei Lenkungswirkung entfaltet. Es werde wie eh und je gefahren. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte, die Benzinkosten seien bereits sehr hoch. ADAC-Präsident Peter Meyer nannte Köhlers Forderung sogar unsozial: Höhere Spritkosten klängen für die zahlreichen Pendler im Land wie ein Hohn.

Ganz offensichtlich hat Horst Köhler mit seiner Forderung einen empfindlichen Nerv der Deutschen getroffen. Rund 40 Millionen Pkw besitzen die deutschen Privathaushalte, im Alltag dieser Autofahrer sind Spritpreise ein ständiges Ärgernis. Denn zum einen sind nach Berechnungen des Automobilclubs von Deutschland (AvD) die deutschen Tankstellenpreise bereits sehr hoch - für Superkraftstoff liegen sie im EU-Vergleich auf Platz drei. Zum anderen sind genau diese Preise seit Wochen dabei, immer weiter nach oben zu klettern.

"Von jeder Tankfüllung gehen 50 Euro an den Staat"

Im Augenblick liegen sie bei fast 1,43 Euro pro Liter Superkraftstoff, das ist der höchste Stand seit dem Winter 2008. Bei vielen Autofahrern mögen Erinnerungen wach werden an den Spätsommer 2008, als die Preiskurve für Superkraftstoff auf über 1,55 Euro pro Liter hochschnellte. Damals warnten Volkswirtschaftler, die hohen Energiekosten könnten der ohnehin schon schwachen Konjunktur den Garaus machen.

Doch wer ist verantwortlich dafür, dass Millionen Autofahrer schon wieder mehr am Zapfhahn zahlen müssen? Für ADAC-Chef Meyer steht einer der Hauptschuldigen fest: der Staat. Denn schon heute liege der Steueranteil auf Kraftstoff bei über 70 Prozent. "Von jeder Tankfüllung gehen rund 50 Euro an den Staat", sagte Meyer. Auch nach Ansicht des AvD werden Autofahrer durch den Fiskus zu stark zur Kasse gebeten: "Wenn der Liter Super 1,40 Euro kostet, gehen davon 88 Cent als Mineralöl-, Öko- und Mehrwertsteuer an den Staat", sagt Sabine Götz vom AvD. "Zusammen mit der Kfz-Steuer werden Autofahrer jedes Jahr mit über 50 Milliarden Euro belastet." Weitere Verteuerungsmaßnahmen, wie von Köhler vorgeschlagen, lehne man daher strikt ab.

Die hohe Steuerbelastung ist zwar wesentliche Ursache für den hohen Spritpreis. Als Erklärung für den derzeitigen Preisanstieg taugt sie allerdings nicht. Denn der Steueranteil ist in den letzten Monaten stabil geblieben. Tatsächlich geht die aktuelle Steigerung auf verschiedene Faktoren zurück. "Der schwache Euro trägt sicher zu der Situation mit bei", heißt es beim AvD. Denn in der Ölbranche ist der Dollar die Leitwährung. Ist der Euro schwach, wird Benzin teurer.

Amerikaner kaufen Europäern das Benzin weg

Nach Angaben des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV) liegt eine weitere Ursache für die Qual an der Zapfsäule an einer ganz anderen Stelle: in den USA. Dort sei in den letzten Wochen die Nachfrage nach Benzin in die Höhe geschnellt. Weil die US-Raffinerien mit der Produktion nicht mehr hinterherkämen, werde verstärkt Benzin vom europäischen Markt weggekauft. "Infolge der steigenden Nachfrage sind die Einkaufspreise für Benzin innerhalb der letzten vier Wochen um mehr als sieben Eurocent pro Liter gestiegen", heißt es beim MWV. "Im gleichen Zeitraum erhöhten sich die durchschnittlichen Verbraucherpreise an der Tankstelle um genau diese sieben Cents von 1,36 auf 1,43 Eurocent pro Liter."

Ölhandelsunternehmen wie der Vitol-Konzern betonen regelmäßig, dass beim Preis alles mit rechten Dingen zugehe: "Der Ölmarkt ist ein sehr ehrlicher Markt, denn er reflektiert die aktuelle und erwartete Nachfrage nach einem Produkt ebenso wie auch das tatsächliche Angebot", heißt es bei Vitol. Vor allem aber ist es ein lohnender Markt: Im Spitzenjahr 2008 machte Vitol mit dem Handel von Öl und Rohstoffen einen Umsatz von 191 Milliarden Dollar und gehörte damit zu den größten Unternehmen in Europa. Händler wie Vitol kaufen jedes Jahr Hunderte Millionen Tonnen Öl, die sie in Tankern quer über den Globus dahin schaffen, wo sich die besten Preise erzielen lassen.

Welche Rolle spielen die Spekulanten?

Doch Öl ist nicht nur das wichtigste Handelsgut des Globus, sondern auch ein hochspekulatives Objekt. An den Energiemärkten wird nicht nur mit Rohöl gehandelt, sondern auch mit dem, was die Raffinerien daraus herstellen: Benzin und Diesel beispielsweise. Die Preisbildung wird dadurch sehr viel komplexer – den Wert eines Barrels Rohöl zu kennen, reicht also schon lange nicht mehr aus, um den Preis an der Tankstelle prognostizieren zu können. Dazu gibt es Finanzprodukte, mit denen sich Öl- und Benzinhändler gegen eine nachlassende Nachfrage absichern können – auch diese Produkte sind handelbar und können den Ölpreis indirekt beeinflussen. Damit bekommen auch Banken und Hedgefonds die Möglichkeit, sich auf dem Ölmarkt zu betätigen und Profite aus dem Geschäft mit der Energie zu ziehen. Bis zu 50 Prozent der Preisschwankungen könnten auf das Konto dieser Finanzakteure gehen, vermutet Friedrich Schneider, Energiewirtschaftsexperte an der Universität Linz.

Die letzten, die vom Benzinpreis profitieren, sind die Tankstellen und die Konzerne, die diese Tankstellen betreiben. Deren Gewinnmargen gelten in Deutschland als relativ dünn: Mit 15.000 Tankstellen ist die Konkurrenz zwischen den Stationen hoch. Zudem überwachen sich Betreiber der einzelnen Tankstellen permanent gegenseitig und melden jede Preisänderung der Konkurrenz sofort an die eigene Konzernzentrale. Das Muster ist dabei immer dasselbe: Eine Tankstelle beginnt mit der Senkung meist um einen Cent, Konkurrenten ziehen nach, bis die Konzerne diese Spirale wieder beenden und den Preis um einige Cent wieder hochsetzen.

Nach Angaben des Mineralölwirtschaftsverbands (MWV) nehmen die Tankstellenketten pro verkauftem Liter Super rund zehn Cent ein. "Davon bleiben uns als Gewinn zwischen einem halben und einem Cent pro Liter", heißt es bei Aral. Bei den gigantischen Mengen, die jeden Tag in deutsche Autotanks fließen, können freilich schon halbe Cents einen riesigen Unterschied in der Unternehmensbilanz machen.

ADAC kritisiert "überteuerte Treibstoffe"

So hat der ADAC gerade erst die Ölkonzerne wegen "überteuerter Treibstoffe" kritisiert. Der Verband fürchtet, dass die Unternehmen prompt zur Reisewelle um Ostern herum die Preise erhöhen. Bei den Tankstellenbetreibern wehrt man ab: Es gebe viel zu viele Preisrunden im Jahr, um die auf die zudem zeitlich verteilten Ferientermine der einzelnen Bundesländer abzustimmen.

Den Schwankungen beim Benzinpreis könne sich leider kein Autofahrer entziehen, sagt Sabine Götz vom AvD. Doch der Wettbewerb zwischen den Tankstellen biete auch Chancen: "Wer Preise vergleicht, kann manchmal bis zu fünf Cent pro Liter sparen."