DaimlerChrysler Schrempp und Kopper Seite an Seite im Gericht

Beim Prozess vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht waren Jürgen Schrempp und Hilmar Kopper wieder ganz in ihrem Element. Den Vorwurf, die Ankündigung von Schrempps Ablösung als DaimlerChrysler-Chef bewusst verzögert zu haben, ließen sie an sich abtropfen. Das Gericht ist dennoch nicht überzeugt.

Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart war es für Jürgen Schrempp und Hilmar Kopper fast wie zu Zeiten an der DaimlerChrysler-Spitze. Seite an Seiten stemmten sich die beiden streitbaren ehemaligen Top-Manager am Freitag gegen zahlreiche Angriffe und Vorwürfe von Anlegern und Anwälten. Wie gewohnt ging es bei den Wort-Gefechten um das Wohl des Stuttgarter Autobauers. Im Mittelpunkt stand aber nicht die Gewinnmaximierung des Unternehmens, sondern die Sorgfalts- und Informationspflicht beim vorzeitigen Rücktritt von Schrempp.

Die beiden ehemaligen Entscheidungsträger müssen sich dafür verantworten, unter welchen Umständen der Rückzug Schrempp ins Privatleben erfolgte. Dutzende von Kleinaktionären werfen dem Stuttgarter Konzern vor, sich schon lange vor der offiziellen Mitteilung am 28. Juli 2005 einig über den einschneidenden Personalwechsel bei dem Autobauer gewesen zu sein. Viel Geld hätten sie wegen der verspäteten Mitteilung verloren, weil sie ihre Wertpapiere zum falschen Zeitpunkt verkauften. Die DaimlerChrysler-Papiere waren im Dax extrem gestiegen, nachdem Schrempp offiziell seinen Hut genommen hatte.

Dass die beiden Top-Manager schon Wochen vor der entscheidenden Aufsichtsratssitzung zahlreiche Gespräche über den Wechsel an der Konzernspitze und den potenziellen Nachfolger Dieter Zetsche geführt hatten, ist unstrittig. Sowohl Schrempp als auch Kopper bestätigen vor dem OLG mit Selbstbewusstsein und fester Stimme Treffen mit amerikanischen Mitgliedern des Kontrollgremiums und Zetsche. Sogar der mächtige Betriebsratschef und scharfe Vorstandskritiker Erich Klemm wurde ins Vertrauen gezogen.

Dennoch bestreiten die beiden langjährigen Auto- sowie Bank-Vorstände und gewieften Taktiker, dass sie mit diesem Vorgehen die entscheidenden Leute schon auf ihre Seite gezogen hatten und damit die Aufsichtsratssitzung, nach der die Personalie bekanntgegeben wurde, nur noch eine Formsache war. Hätte die Anteilseigner bei einem Treffen am Abend vor der Sitzung des Kontrollgremiums alles in die Waagschale gelegt, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen, er hätte möglicherweise einen Rückzieher gemacht, erzählte Schrempp wenige Tage nach seinem 64. Geburtstag vor Gericht. Auch Kopper beharrte auf einer ernstzunehmenden Unsicherheit bis zu der Gremiums-Entscheidung.

Die Kernaussagen waren nahezu deckungsgleich

Obwohl die Aussagen von Kopper und Schrempp in einigen Fällen durchaus unterschiedliche erschienen, waren ihre Kernaussagen nahezu deckungsgleich. Das Verhalten überrascht nicht. Schon zu ihrer aktiven Manager-Zeit galten die beiden Männer als enge Vertraute und bestens aufeinander abgestimmt. Speziell als Schrempp nach seinen gescheiterten Plänen für eine Welt-AG massiven Gegenwind von den Aktionären erhielt, war der heute 73-Jährige, der wegen seiner umstrittene "Peanuts"-Äußerung Bekanntheit erlangte, an der Seite seines Vorstandschefs.

Verzwickt ist die Lage nun für das Gericht. Zwar versuchte der Vorsitzende Richter Eberhard Stilz wiederholt bei der Zeugenbefragung, die "hinreichenden Wahrscheinlichkeit" für den Personalwechsel von Schrempp zu Zetsche herauszukitzeln. Ob den OLG-Präsidenten die Antworten aber überzeugten, ist noch offen. "Wir sind noch offen in unserer Entscheidung", erklärte er zum Ende der Sitzung. Die Entscheidung soll nun im Oktober verkündet werden.

Prozess ist Musterverfahren für zahlreiche ähnliche Klagen

Diese vermeintlich spitzfindige Formulierungs-Suche ist jedoch der Knackpunkt in dem Schadenersatzprozess, der als Musterverfahren stellvertretend für zahlreiche, ähnlich gelagert Klagen verhandelt wird. Nach dem Wertpapierhandelsgesetzes gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen einer "hinreichend wahrscheinlichen Absicht" und einer "möglichen Absicht": Hat ein börsennotiertes Unternehmen konkrete Pläne, die den Kurs beeinflussen können, müssen diese nämlich unverzüglich in einer adhoc-Mitteilung veröffentlich werden. Sollte das Gericht den Anlegern recht geben, drohen finanzielle Konsequenzen: Der Streitwert der Klagen soll insgesamt im Millionenbereich liegen.

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Von Bernd Glebe, DPA