Die Finanzminister der zwölf Euro-Länder haben den erbitterten Streit um den geplanten »Blauen Brief« für Deutschland beigelegt. Deutschland machte dazu eine Reihe wichtiger Zusagen, sagte der spanische Wirtschaftsminister und amtierende EU-Ratspräsident Rodrigo Rato nach stundenlangen Verhandlungen in Brüssel.
Auch Portugal wird verschont
Da Deutschland nicht mehr verwarnt wird, darf sich auf Portugal freuen: auch ihnen bleibt die offizielle Abmahnung für eine verfehlte Haushaltspolitik erspart. Schon werden erste Stimmen laut, die darin ein Ende des budgetären Frühwarnsystems sehen. Auch die harsche Reaktion von Bundeskanzler Schröder im Vorfeld der Entscheidung wird nun von vielen als 'Startschuss zum Schuldenmachen' bedauert.
Versprochen: 2004 'fast' aufsgeglichener Haushalt
Um der Abmahnung zu entgehen, musste Bundesfinanzminister Hans Eichel feste Zusagen für die zukünftige Haushaltspolitik machen. Berlin strebt nun an, 2004 einen nahezu ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Dieses Ziel war erst unlängst von Eichel wegen der verschlechterten Haushaltslage in Frage gestellt worden. Die Verpflichtungen gelten ebenfalls für das von einer Defizitwarnung bedrohte Portugal.
Klare Zusagen
Rato sagte: »Beide Regierungen (in Berlin und Lissabon) haben klare Zusagen gemacht, dass sie ihre Haushaltspolitik unter Kontrolle halten und dass sie jedweden Spielraum zum Abbau des Defizits nutzen werden.« Berlin und Lissabon sicherten zu, dass die im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegte Defizit-Grenze von drei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt nicht erreicht wird. Deutschland könnte laut EU-Kommission im laufenden Jahr 2,7 Prozent erreichen, Portugal 1,6 Prozent.
Bundesländer mit einbeziehen
Deutschland und Portugal verpflichteten sich auch zur Ausgabenüberwachung auf allen Ebenen der Regierung. Die Ausgaben sollen nicht erhöht werden. Im Falle Deutschlands sollen die Bundesländer in die Stabilitätsanstrengungen einbezogen werden. Denn besonders die stetige Neuverschuldung der Bundesländer bläht das deutsche Staatsdefizit auf. »Ich denke, das ist ein gutes Ergebnis, das wir völlig einvernehmlich erzielt haben nach sicher sehr langer Debatte«, sagte Bundesfinanzminister Eichel. Die Einigung soll im Laufe des Tages in der Runde der Finanzminister aller 15 EU-Länder besiegelt werden.
»Unfruchtbarer Streit«
Die Minister sind sich über die Inhalte einig und wollten den »unfruchtbaren Streit um die Prozeduren beenden«. Eichel sagte weiter: »Wir sind es allen schuldig, gerade im Interesse der Glaubwürdigkeit der europäischen Politik, zu einer gemeinsamen inhaltlichen Position zu kommen.« Eichel regte eine nationale Vereinbarung zwischen Bund und Bundesländern an, um das Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen. EU-Währungskommissar Pedro Solbes, der vor zwei Wochen den »Blauen Brief« vorgeschlagen hatte, sagte dass damit die Glaubwürdigkeit des Stabilitätspaktes gewährleistet wurde. »Wir finden, das ist eine korrekte Lösung«, sagte der Kommissar.
Merz mit scharfer Kritik
Kritik kommt unterdessen von Seiten der Opposition: Unions-Fraktionschef Friedrich Merz zerpflückte die Einigung im EU-Finanzministerrat. »Das, was da heute Nacht als konstruktiver Kompromiss verkauft worden ist, ist in Wahrheit ein schwerwiegender Verstoß gegen den europäischen Stabilitätspakt«, sagte der CDU- Politiker im Deutschlandfunk.
»Liederlich und nachlässig«
Bundeskanzler Gerhard Schröder hätte laut Merz mit »wilden Verschwörungstheorien« die gesamte Europäische Union diskreditiert und unter Druck gesetzt. Langfristig wird das deutsche Verhalten verheerende Auswirkungen auf das Vertrauen in die Regeln und in die Institutionen der EU und in die Stabilität des Euro haben. »Es hat noch nie einen Regierungschef in der Geschichte der Bundesrepublik gegeben, der so liederlich und so nachlässig gegen die Europäische Union tätig geworden ist wie Gerhard Schröder«, so Merz.
Karin Spitra, mit Agenturen (dpa)