Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Werner Müller ist neuer Aufsichtsratschef der Deutschen Bahn. Das Gremium wählte den Vorstandschef des Energiekonzerns RAG wie erwartet zum Vorsitzenden, bestätigten Bahn und Arbeitnehmervertreter. Die Gewerkschaft Transnet begrüßte die Entscheidung, verlangte aber zugleich eine Festlegung Müllers auf die Verbindung von Schienennetz und dem Bahn-Betrieb für die Zukunft. "Das ist eine solide Entscheidung", sagte Transnet-Chef Norbert Hansen, der Stellvertreter Müllers im Bahn-Aufsichtsrat sein wird, zu der Personalentscheidung.
Die Gewerkschaft erwarte vom neuen Chef des Kontrollgremiums nun ein "klares Bekenntnis zum integrierten Bahnkonzern." Die Bahn teilte weiter mit, das Geschäft sei in den ersten fünf Monaten vor allem im Personenverkehr positiv gelaufen. In der Zeitspanne sei zudem auch im Gesamtkonzern ein Gewinn ausgewiesen worden. Die hohen Energiekosten zwängen die Bahn allerdings, gegenzusteuern. Ein Bahn-Sprecher sagte, Beschlüsse zu Preiserhöhungen gäbe es nicht.
Positionierung im Angesicht eines möglichen Regierungswechsels
Die Personalie Müller ist vor allem vor dem Hintergrund eines möglichen Regierungswechsels im September von großer Bedeutung. Verkehrspolitiker von Union und FDP plädieren für eine Trennung von Netz und Betrieb. Davon erhoffen sie sich mehr Verkehr auf dem Schienennetz durch Konkurrenten der Bahn. Bahnchef Hartmut Mehdorn lehnt dies wie die Gewerkschaft strikt ab. Er hält zudem einen Börsengang des Konzerns nur als integriertes Unternehmen für möglich. Auch Müller hatte sich in der Vergangenheit nach Angaben aus dem Bahn-Aufsichtsrat eher für die Verbindung von Schiene und Betrieb ausgesprochen. Der 59jährige war bereits einfaches Mitglied in dem Gremium.
Müllers Vorgänger, der Tui-Chef Michael Frenzel, hatte sich mit Mehdorn zerstritten. Frenzel galt als enger Vertrauter von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Daher waren ihm bei einem Regierungswechsel nur wenig Chancen auf einen Verbleib im Amt eingeräumt worden. Müller ist parteilos und es gilt daher als schwieriger, ihn kurz nach Amtsantritt von dem Posten wieder zu entfernen. Vertreter von Union und FDP hatten die Entscheidung für einen neuen Aufsichtsrat vor den geplanten Wahlen im September scharf kritisiert.
Es geht aufwärts
Mehdorn äußerte sich erfreut, dass die Geschäfte in den ersten fünf Monaten des Jahres gut liefen. Der Konzernumsatz liege schon über der Schwelle von zehn Milliarden Euro und damit deutlich über Vorjahr. "Dass wir in den traditionell eher schwachen Monaten am Jahresanfang bereits schwarze Zahlen vorweisen könne, zeigt die Stabilität unserer wirtschaftlichen Entwicklung", sagte der Vorstandschef. Er ergänzte aber: "Gute Umsätze dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass unsere Kosten kräftig steigen, vor allem auf den Energiesektor", betonte Mehdorn. "Da müssen wir gegensteuern, wie jedes andere solide Unternehmen auch." Preiserhöhungen, über die schon länger spekuliert werden, wurden aber nicht genannt und sind einem Bahn-Sprecher zufolge auch nicht beschlossen.
Die Bahn profitiert nach Angaben aus Unternehmenskreisen allerdings auch von den hohen Energiepreisen vor allem im Personenverkehr, da verstärkt Autofahrer auf den Zug umsteigen.