Ach, mein Gott, ist das nun lächerlich, wirklich lächerlich, wenn Kanzlerin Angela Merkel sich Bahnchef Hartmut Mehdorn vorknöpft - um ihm ihr "Unbehagen über die Bedienzuschläge" vorzuhalten.
Ach, ist das amüsant, wahrhaft amüsant, wenn nun auch Minister Horst Seehofer diese Sache mit den Bedienzuschlägen nicht so richtig gut findet.
Ach, und fast nur noch absurd ist es, wenn Minister Wolfgang Tiefensee, bisher bravster Messdiener Mehdorns, erzürnt über seinen Bahnchef ist.
Die tapfere Merkel. Der engagierte Seehofer. Der wütende Tiefensee. Ja, richtig volksnah geben sich diese Politiker - und sind doch, egal wie laut sie nun auch aufschreien, nur Heuchler.
Heuchler? Ja, denn sie alle, ausnahmslos alle, sind Schuld, dass Mehdorn solche Ideen entwickelt. Sie alle wollten die Privatisierung der Bahn - gegen den erklärten Willen ihrer Wähler. Die Bürger hatten nicht nur ein "Unbehagen" gegen diese Privatisierung, sie wollten sie nicht, partout nicht, über 70 Prozent - so war das bei allen Umfragen - waren dagegen. Weil sie wussten, was das heißt, wenn aus einer Bürger-Bahn eine Börsen-Bahn wird.
Was interessiert mich der Bürger?
Aber was der Bürger denkt, was der Bürger möchte - das scheint die Politiker in Berlin nicht wirklich zu kümmern? Vielleicht wissen viele Politiker auch tatsächlich nicht mehr, was sie mit ihrem Tun anrichten? Vielleicht ist es ihnen, ganz unangenehmer Gedanke, auch ziemlich egal. Sie scheinen jedenfalls kaum mehr Sensoren zu haben für die Stimmung in der Bevölkerung.
Und Bahnchef Mehdorn? Ihn interessieren seine Bahnkunden herzlich wenig. Er handelt, wie er glaubt, handeln zu müssen. Eben so wie der Markt es möchte. Und auf dem Markt, also in China, Russland, Naher Osten, allüberall, sucht er nun nach "Investoren" (Investor - ein etwas sanfterer Ausdruck für Firmen, Gesellschaften, Banken, Konzerne, Konsortien, Menschen, die Geld, viel Geld verdienen, die Profit machen wollen).
Mehdorns Billig-Bahn
Und jene Investoren bekommt Mehdorn nur, wenn er es letztendlich schafft, eine einfache Formel umzusetzen: Minimaler Service für maximale Rendite. Rendite - das, nur so nebenbei, ist auch der Grund, weshalb Mehdorn sich so heftig wehrt, dass seine Hochgeschwindigkeits-ICE's alle 60.000 Kilometer durchgecheckt werden. Sicherheit kostet Geld. Mehdorn handelt so kalt wie logisch.
Er weiß, dass an seinem geplanten "Bedienzuschlag" ein wunderbarer Rattenschwanz hängt: Weniger Bahnkunden gehen an die Schalter, er braucht weniger Personal, er kann Reisezentren schließen, Bahnhöfe dichtmachen - und bald halten auch in größeren Städten die ICE's an schäbigen Wartehäuschen. Das ist schön billig. Das ist Mehdorns Bahn.
Super-Abzocke
50 bis 100 Millionen Euro Extragewinn, einfach so, ratzfatz, ohne irgendwas zu investieren, allein im Fernverkehr, hatte Mehdorn sich von seinem Bedienzuschlag erhofft.
Super-Abzocke-Idee. Aber aus und vorbei. Mehdorn hat es nicht leicht. Nein, kein Mitleid mit ihm, das ganz gewiss nicht. Der Mann rennt im Augenblick durch die Gegend, sucht "Investoren" - aber die zieren sich. Denn die sind so klug wie kaltschnäuzig. Sie wissen: Die Bahn ist ein risikoreiches Geschäft. So viele Fragen des Börsengangs sind rechtlich noch so ungeklärt, dass die Bahn - um sie überhaupt noch verhökern zu können - jeden Tag billiger wird.
Und nun auch noch dieser Eingriff der Politik, dieses politische "Njet" für den Bedienzuschlag: Das ist ein lautes Signal an die Börsianer - sie nehmen nun sogenannte "Bewertungsabschläge" vor. Das ist alles kompliziert, lässt sich aber praktischerweise in Euro übersetzen: Um rund 300 Millionen Euro wurde heute die Bahn für Investoren billiger.
Schnäppchen Bahn: Zwölf Milliarden Euro sollte der Börsengang in die Kassen des Staates spülen. Dramatisch weniger wird es wohl werden, vier bis allenfalls fünf Milliarden, sagen Insider, bringt der geplante Verkauf.
Wo liegt die Schmerzgrenze?
Frage: Gibt es Politiker, verantwortungsvolle Politiker, die nun aufschreien: Halt! Der Verkauf lohnt sich nicht! Gibt es eine Untergrenze, eine Schmerzgrenze, wo sie sagen: Volksvermögen dürfen wir nicht so billig verschleudern?
Bedienzuschlag hin, Bedienzuschlag her, auch das muss mal gesagt werden: Früher, zu Zeiten der so heftig diskreditierten Beamtenbahn, konnten Sie an fast jedem Ort in Deutschland Fahrkarten in alle Welt kaufen, und das ging verblüffend schnell. Probieren Sie heute mal im Internet ein Fahrkarte, sagen wir mal, von Frankfurt nach St. Gallen, oder von Hamburg nach Stockholm zu bestellen. Sie werden scheitern. Ihr Computer wird sagen: "Preisauskunft nicht möglich".