Auch deshalb musste Jetzt-Ex-Chef Kai-Uwe Ricke gehen: Im Schnitt 150.000 Festnetz-Kunden kehren der Deutschen Telekom derzeit monatlich den Rücken. In Worten: Hundertfünfzigtausend. Ein Mal alle Einwohner Paderborns. Monat für Monat! Aber weshalb fliehen die Kunden? Wie treibt die Telekom sie der Konkurrenz in die Arme? Ist es die technische Leistung? Ist es der Preis? Oder einfach schlechter Kundenservice?
Die Telekom ist schlicht zu teuer
Für Experten ist die Sache klar: Die Telekom ist schlicht zu teuer. "Die Konkurrenz ist einfach günstiger", sagt etwa Patrick von Braunmühl vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Dabei habe die Telekom sogar noch Glück. Ihr Image als ehemals staatliches Unternehmen verbänden viele Verbraucher mit Seriosität und Zuverlässigkeit. "Rein ökonomisch gesehen müssten eigentlich noch viel mehr Kunden die Telekom verlassen", sagt von Braunmühl. "Die Preisdifferenz zwischen der Telekom und den Wettbewerbern ist zu hoch", bestätigt auch Frank Rothauge, Analyst beim Bankhaus Sal. Oppenheim in Frankfurt, stern.de. "Bei der Flatrate für die Telefonie etwa kostete das Telekom-Angebot bisher 20 Euro. Bei der Konkurrenz war dieses Produkt für die Hälfte oder sogar noch weniger zu haben. Zudem haben die Wettbewerber bis vor kurzem deutlich einfachere Pakete als die Telekom angeboten. Ende September hat die Telekom nun mit einem einfachen Bündel nachgezogen, dass sich sehr gut verkaufen soll."
Nervende Anrufe, gefälschte Auftragsbestätigungen
Jenseits der hohen Preise nervte die Telekom ihre Kunden in der Vergangenheit zudem mit einer hyper-aggressiven Marketing-Strategie, mit Anrufen, mit Verträgen, die plötzlich im Briefkasten lagen. "Wir haben beobachtet, dass die Telekom nicht nur durch hohe Preise, sondern auch durch massive Verstöße gegen Verbraucherrecht aufgefallen ist", berichtet von Braunmühl. "Bei uns haben sich Kunden zu Hunderten über verbotenes 'Cold-Calling' beschwert." Im Auftrag der Telekom seien Kunden von Anrufern zu Tarifänderungen gedrängt worden. Auch hätten Telefon-Verkäufer versucht, Kunden mit falschen Auftragsbestätigungen Verträge unterzuschieben. "Diese Fälle waren keine Einzelfälle, sondern sind massiv aufgetreten." In vergleichbarer Menge seien Beschwerden gegenüber Wettbewerbern nicht erhoben worden.
50.000 Kundenbeschwerden pro Woche
Zu allem Überfluss geht die Telekom mit jenen Kunden, die ihr trotz allem treu bleiben, nicht besonders pfleglich um. Fast jeder Kunde hat bisweilen skurrile, bisweilen erschütternde, immer aber nervige Erlebnisse mit einer Hotline des Unternehmens bereit. Im Jahr 2005 ließ die Unzufriedenheit der Kunden mit dem Konzern sogar beziffern. Laut einem Bericht des "Spiegel" gingen allein in der Festnetz-Sparte T-Com damals wöchentlich rund 50.000 Kundenbeschwerden ein. Auf ein Jahr hochgerechnet entsprach das fast 2,6 Millionen Beschwerden - oder mehr als sieben Prozent der damals noch insgesamt rund 35 Millionen Festnetz-Kunden.
Zu wenige Kunden in den Geschäftsstellen
"Bisher bestand ein eklatanter Widerspruch zwischen der groß angekündigten Service-Offensive und dem, was viele Kunden in der Wirklichkeit erlebt haben", sagt Verbraucherschützer von Braunmühl. "Man hat den Eindruck, dass die Service-Orientierung, die man bisher gepredigt hat, nicht bis ins Letzte durchgesetzt worden ist", formuliert Analyst Rothauge etwas vorsichtiger. So habe die Telekom etwa erst kürzlich ein Programm aufgelegt, um die Zahl der Mitarbeiter in den T-Punkten zu erhöhen, den Service-Stellen der Telekom. "Es gibt zwar einen Überbestand an Mitarbeitern. Aber dort, wo sie gebraucht werden, nämlich direkt beim Kunden, werden zu wenige eingesetzt", sagte Rothauge. Auch bei der Arbeit in den Call-Centern habe die Konzern-Leitung erst verhältnismäßig spät Defizite festgestellt. "Es sind noch sehr viele Möglichkeiten zur Verbesserung vorhanden", sagte Rothauge.
Allerdings scheint es weniger der mangelhafte Service allein, die die Kunden verscheucht, sondern vielmehr die Kombination mit der Preispolitik zu sein. Denn schlechten Service, findet Rothauge, gibt es auch bei der Konkurrenz: "Wenn man den Kundenservice der Telekom mit dem Service der Wettbewerber vergleicht", so Analyst Rothauge, "dann schneidet die Telekom gar nicht schlecht ab. Die Wettbewerber sind an vielen Punkten noch deutlich schlechter."
"Das Problem ist die Einstellung der Beschäftigten"
Neben der Qualität ihrer Kundebetreuung hat die Telekom derzeit vor allem mit deren Kosten zu kämpfen. Für den Betrieb von Call-Centern zahlt die Telekom nach eigenen Angaben im Schnitt bis zu 50 Prozent mehr als die Konkurrenz, weil Mitarbeiter wegen alter Verträge noch Anspruch auf Gehälter auf Beamtenniveau haben. Im Oktober machte die Telekom-Spitze deshalb mit einem Vorstoß zur Kostensenkung Furore. 35.000 Beschäftigte der T-Com, die bisher im Bereich Service und Kundendienst gearbeitet hatten, sollten eine neuen Ausgliederung namens "T-Service" zugeschlagen werden, 10.000 Call-Center-Mitarbeiter sollten künftig ebenfalls zu einer neuen, separaten Einheit gehören. Für die Beschäftigten, so wurde damals unmissverständlich klar gemacht, würde das zu erheblichen Lohneinbußen führen. Analyst Rothauge würde sogar noch einen Schritt über die Gründung einer eigenen Service-Sparte hinausgehen. "Das Problem bei den Call-Centern ist vor allem die Produktivität und die Einstellung der Beschäftigten", sagte er. "Wenn man diese Dienstleistung extern einkaufen würde, dann wäre das wahrscheinlich billiger und besser."
Empfehlungen für den neuen Chef
Was also kann der neue Chef René Obermann schnell ändern, um die Telekom in den Augen der Kunden wieder konkurrenzfähig zu machen. Nach Ansicht Rothauges muss Obermann zunächst dafür sorgen, dass der Konzern beim Preis mithalten kann. "Das wird der Telekom erst einmal wehtun. Wenn ein Wettbewerber noch weiter die Preise senkt, dann muss die Telekom entsprechend mitgehen - bis der Wettbewerb verstanden hat, dass mehr als zehn Prozent Preisabstand für den Marktführer nicht akzeptabel sind. Erst dann wird sich die Wettbewerbslandschaft beruhigen." Verbraucherschützer von Braunmühl setzt vor allem darauf, dass die Telekom endlich ihre Zusagen an die Kunden einhält. "Wir hoffen, dass der neue Chef René Obermann das Versprechen der Qualitätsoffensive und der verbesserten Kundenorientierung endlich in die Praxis umsetzt", sagt er.