Elon Musks Twitter-Regime bleibt rätselhaft. Während prominente aktive Nutzer und Werbekunden dem sozialen Netzwerk den Rücken kehren, kümmert sich Musk um Karteileichen. Am Freitag twitterte Musk, Twitter werde bald damit beginnen, die Namen von 1,5 Milliarden Accounts freizugeben. Es gehe dabei um Löschungen von Konten "ohne Tweets und ohne Log-in seit Jahren".
Der Hintergrund dürfte sein, dass sich einige Twitter-Nutzer daran stören, dass bestimmte Handles von Accounts blockiert werden, die sie gar nicht mehr benutzen. Musk hat daher bereits vor Wochen versprochen, inaktive Nutzer zu löschen. Wie genau bestimmt werden soll, welcher Account zum Abschuss freigegeben ist, ist noch unklar – und es würde nicht groß überraschen, wenn auch dieser Schritt neues Chaos auslöst.
Musk hat seit der Übernahme von Twitter mehr als die Hälfte der Belegschaft rausgeschmissen und gleichzeitig versucht, funktionelle Änderungen schnell live zu stellen. So löste die Umstellung des blauen Verifizierungshakens auf ein Abo-Modell, in dem sich jeder den Haken kaufen kann, zu gewaltigem Ärger. Da nun jeder seinen Account "verifizieren" konnte, wimmelte es schon bald von Accounts, die Prominente imitierten oder vermeintliche Unternehmensnachrichten verbreiteten, die Kursstürze an der Börse auslösten. Das Chaos führte dazu, dass vorübergehend gar keine blauen Haken mehr ausgegeben wurden.
Elton John verabschiedet sich – Elon Musk reagiert
Dass Musk Karteileichen loswerden will, die für ihn wertlos sind, weil ihnen keine Werbung ausgespielt werden kann, ist einerseits nachvollziehbar. Andererseits wundert man sich doch, ob er nicht größere Baustellen hat. So haben viele prominente Nutzer Twitter in den vergangenen Wochen den Rücken gekehrt, weil ihnen Musks Kurs nicht passt. Am Freitag reihte sich auch Sir Elton John in die Riege der Abtrünnigen ein. Die Musiklegende twitterte: "Mein ganzes Leben lang habe ich versucht, Menschen mit Musik zusammenzubringen. Es macht mich traurig, wie Falschinformationen nun genutzt werden, um unsere Welt zu spalten." Weiter schrieb Elton John: "Ich habe beschlossen, Twitter nicht mehr zu nutzen, da die jüngste Änderung der Richtlinien es ermöglicht, dass Fehlinformationen unkontrolliert gedeihen."
Musk hat auch einen Großteil des Teams entlassen, das Fake-News von der Plattform entfernen sollte. Er ist der Ansicht, dass Twitter damit die Meinungsfreiheit unterdrückt habe. Auf den Abschiedspost von Elton John reagierte Musk persönlich: "Ich liebe deine Musik. Ich hoffe, du kommst zurück. Gibt es bestimmte Fehlinformationen, über die Sie sich Sorgen machen?" Darauf kam von Elton John keine Antwort. Fakt ist aber, dass Musk alle Accounts wieder freigeschaltet hat, die in der Vergangenheit wegen Hassnachrichten oder Fake News gesperrt worden waren. Donald Trumps Mär von der gestohlenen Präsidentschaftswahl oder hanebüchene Unwahrheiten über Impfungen können nun wieder folgenlos verbreitet werden.
Noch eine weitere inhaltliche Neuerung hat Musk am Freitag angekündigt. Er erklärte, dass jeder "in ein paar Wochen" sehen können soll, wie häufig seine einzelnen Tweets angesehen wird. Dieser "view count" soll die Transparenz erhöhen und sogenanntes "Shadowbanning" erschweren. Darunter versteht man die Möglichkeit eines Seitenbetreibers, Inhalte von Nutzern zu blockieren, ohne dass dieser mitbekommt, dass seine Botschaften unsichtbar gemacht wurden.
Das klingt alles immer noch ziemlich nach Mikro-Management von Musk bei Twitter. Dabei fragen sich insbesondere die Aktionäre von Tesla, dessen Aktienkurs binnen eines Jahres um 40 Prozent abgeschmiert ist, wann der Chef denn wieder Zeit für sein E-Autounternehmen findet. Mitte November musste Musk sogar vor Gericht erscheinen, um die Milliardenboni zu verteidigen, die er bei Tesla erhält, obwohl er dort nur noch Teilzeitchef ist. Die grundsätzliche Neaufstellung von Twitter, versprach er damals, sei so gut wie erledigt und er werde seinen Zeiteinsatz dort bald wieder reduzieren.