Der erste Versuch von Elon Musk, einen kostenpflichtigen blauen Twitter-Haken einzuführen, endete im Chaos. Nun nimmt der umstrittene Twitter-Chef einen neuen Anlauf: Für Montag hat der Kurznachrichtendienst einen Relaunch von "Twitter Blue" angekündigt. Twitter-Nutzer können dann gegen Bezahlung wieder einen blauen Haken für ihr Profil bekommen und Premium-Funktionen freischalten.
Apple-Nutzer müssen allerdings mehr bezahlen: Twitter Blue soll in der Web-Version 8 Dollar im Monat kosten – iPhone-Nutzer mit Apples iOS-System sollen hingegen 11 Dollar berappen. So will sich Twitter offenbar für die Gebühren revanchieren, die Apple standardmäßig für Verkäufe im App-Store nimmt. Musk hatte die 30-Prozent-Gebühr in der Vergangenheit als überteuert bezeichnet und Apple monopolistische Praktiken vorgeworfen. In einem – inzwischen gelöschten – Tweet hatte Musk Ende November Apple gar "den Krieg erklärt".
Twitter-Blue-Nutzer sollen "überprüft" werden
Twitter kündigte an, den blauen Haken an Nutzer mit verifizierter Telefonnummer zu vergeben, deren Account durch Twitter "überprüft" wurde. So will das Unternehmen offenbar eine Wiederholung des Desasters vom ersten Versuch vermeiden. Nachdem Twitter früher den Haken nur an verifizierte Profile von Prominenten, Unternehmen und anderen Organisationen vergeben hatte, hatte Musk den Haken in der ersten Runde von Twitter Blue für alle freigegeben, die zahlen. Prompt war Twitter von Fake-Promi-Accounts überflutet worden. Falsche Unternehmens-Accounts sorgten für Börsenturbulenzen, sogar Jesus hatte plötzlich einen offiziellen Account.
Twitter-Blue-Subscriber sollen künftig zwar ihren Profil-Namen, ihr Profil-Foto und sogar ihr Twitter-Handle ändern können. In diesem Fall verlieren sie aber den blauen Haken bis zu einer erneuten Überprüfung, kündigte das Unternehmen an. Musk hatte Twitter Ende Oktober für 44 Milliarden Dollar übernommen und sucht nun händeringend nach Refinanzierungsmöglichkeiten.
Twitter Blue-Abonnenten verspricht das Unternehmen früheren Zugang zu neuen Features und weitere Privilegien gegenüber Otto-Normal-Twitterer. So sollen die Tweets und Replys von Premium-Nutzern perspektivisch prominenter angezeigt werden, sie sollen längere Videos posten können und weniger Werbung ausgespielt bekommen. All diese Features kündigte Twitter am Wochenende mit "Coming Soon" an.
Neben dem Blue-Relaunch kündigte Twitter auch einen Neustart für weitere Label an. So soll das ebenfalls überstürzt eingeführte "Offiziell"-Label durch einen goldenen Haken für Unternehmen ersetzt werden. Im Laufe der Woche soll zudem ein grauer Haken für "staatliche und multilaterale Accounts" kommen.
Elon Musk witzelt über Verfolgung von Fauci
Dass auf Twitter künftig wieder seriösere Töne dominieren, ist dennoch unwahrscheinlich. Elon Musk hat seit der Twitter-Übernahme mehr als die Hälfte der Mitarbeiter gefeuert, darunter auch den Großteil des Content-Moderationsteams. Er geriert sich als Vorkämpfer für die Meinungsfreiheit, hat gesperrte Nutzer zurück auf die Plattform geholt und beteiligt sich selbst an Debatten aus dem rechtspopulistischen Lager.
Am Sonntag setzte er einen Tweet ab, in dem er die strafrechtliche Verfolgung des Top-Gesundheitsexperten Anthony Fauci ins Spiel bringt - verpackt als Witz auf Kosten von Transgenderpersonen. Nur kurz vorher postete er eine Bildmontage, in der Fauci als Grima Schlangenzunge aus "Herr der Ringe" Präsident Joe Biden den nächsten Lockdown einflüstert. Der 81-jährige Immunologe Fauci wurde als oberster Corona-Bekämpfer der US-Regierung zum roten Tuch für rechte Corona-Verschwörungsideologen. Die ultrarechte Republikanerin Marjorie Taylor Greene spendete Musks Tweet "Prosecute/Fauci"-Tweet prompt Beifall.
In den vergangenen Tagen setzte Musk mehrere Tweets zu den sogenannten "Twitter Files" ab – das sind interne Dokumente, die zeigen sollen, wie unfair Twitter früher bei der Sperrung von unliebsamem Content vorgegangen ist. Musk selbst sperrt nicht und verbreitet sogar selbst munter Verschwörungstheorien weiter.
Als der Ehemann von Nancy Pelosi, dem großen politischen Feindbild der US-Rechten, vor einigen Wochen in seinem Haus attackiert wurde, verbreitete Musk dazu ebenfalls eine Verschwörungstheorie einer rechten Plattform. "Die Art und Weise, wie sich die Moderation von Twitter-Inhalten verändert hat, seit er die Leitung übernommen hat, hat sich eindeutig zugunsten der Rechtsextremen verschoben", sagte Extremismus-Forscher J.M. Berger dem "Business Insider". "Ich glaube, er stärkt absichtlich die Rechtsextremisten."