Gut sieben Wochen nach Kriegsende exportiert der Irak wieder Öl. Die Ausfuhr über den türkischen Hafen Ceyhan sei am Sonntag reibungslos wieder aufgenommen worden, berichtete der Generaldirektor der staatlichen Vermarktungsgesellschaft SOMO, Mohammed el Dschiburi, am Montag in Bagdad. Der Irak habe mit fünf Firmen aus den USA, Frankreich, Spanien, der Türkei und Italien Verträge zur Vermarktung seines Rohöls geschlossen. Die Branche erwartet einen drastischen Rückgang der Ölpreise durch die irakischen Exporte.
In der ersten Phase will sich der Irak El Dschiburi zufolge auf Exporte über die Türkei und den Hafen El Bakr am Persischen Golf beschränken. Der irakische Öl-Export war durch den amerikanisch- britischen Angriff und die Kriegsfolgen unterbrochen worden.
Experten uneinig, ob Ölpreis fällt oder nicht
Öl der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) ist bereits in der vergangenen Woche wieder preiswerter geworden. Ein Barrel (159 Liter) habe im Schnitt 26,17 Dollar gegenüber 27,54 Dollar in der Woche davor gekostet, berichtete das OPEC-Sekretariat am Montag in Wien. Am vergangenen Donnerstag sei diese Menge sogar für nur 25,60 Dollar zu haben gewesen. Das Kartell strebt einen Richtpreis zwischen 22 und 28 Dollar an.
Der amerikanische Irak-Verwalter Paul Bremer hatte am Sonntag bei einer Konferenz in Jordanien erklärt, er wolle die Iraker in Form von "Dividenden" an den Öl-Einnahmen des Landes beteiligen. Öl-Experten in Bagdad erklärten unterdessen, bei einer am Wochenende durch Sabotage in Brand geratenen Leitung, handele es sich um eine Gas- Leitung und nicht, wie zunächst angenommen, um eine Öl-Pipeline. Wie der arabische Fernsehsender El Dschasira berichtete, brannte das Feuer, das am späten Samstagabend rund 150 Kilometer nordwestlich von Bagdad ausgebrochen war, auch am Montag noch.
ÖL aus alten Beständen
Das irakische Öl, das den Weltmarkt jetzt erreicht, stammt aus alten Lagerbeständen und ist nicht frisch gefördert, aber doch ein Signal: Der Irak ist wieder dabei. Nach Einschätzung westlicher Ölexperten reichen die Mengen, die der Irak gegenwärtig fördern und exportieren kann, aber bei weitem nicht aus. Weder werde der Ölpreis durch das zusätzliche Angebot spürbar nach unten gedrückt, noch lässt sich der Aufbau des Landes aus den Öl-Einnahmen finanzieren. Diese Idee geisterte nach Kriegsende eine Zeit lang durch amerikanische Medien und Regierungskreise, stellt sich aber zunehmend als unrealistisch heraus.
Veraltete Technik
Zwar verfügt der Irak mit mehr als 15 Milliarden Tonnen über die dritthöchsten Ölreserven weltweit nach Saudi-Arabien und Kanada. Der Export läuft jedoch nur schleppend an. Die Förderanlagen sind in einem weitaus schlechteren Zustand und viele Lagerstätten stärker ausgeschöpft als erwartet. "Der Irak war schon vor dem Krieg kein großer Lieferant mehr", sagt Gabriele Radke von ExxonMobil. "Wir rechnen nicht damit, dass von dort Mengen kommen, die den Preis spürbar bewegen."
Das deckt sich mit anderen Vorhersagen und deutet darauf hin, dass vorläufig das relativ hohe Preisniveau von 26 bis 28 Dollar für ein Barrel (159 Liter) Öl erhalten bleibt. "Die Opec hat bereits angekündigt, dass sie ihre Förderung kürzen würde, wenn der Irak wieder mit größeren Mengen auf den Markt kommt", sagt Klaus Matthies vom Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA). Damit sei aber bei der nächsten Opec-Sitzung im Juli nicht zu rechnen.
Ziel: bis zum Jahresende auf Vorkriegsniveau
Der irakischen Interims-Ölminister veröffentlichte unterdes die Prognose, dass bis zum Jahresende eine Produktion von zwei Millionen Barrel pro Tag und damit das Vorkriegsniveau erreicht werden kann. "Das halte ich für sehr optimistisch", meint Matthies. "Auch andere Prognosen wurden in der Vergangenheit nicht eingehalten." Kriegszerstörungen und Plünderungen machten vor den Bohrtürmen nicht halt, die nach wie vor potenzielle Anschlagziele von versprengten irakischen Militärkräften sind. Zudem gibt es immer wieder Transportprobleme zu den beiden Ölhäfen im türkischen Ceyhan und in El Bakr am Persischen Golf.
Das Hauptproblem ist das Geld
Um die irakische Ölindustrie wieder aufzubauen, sind je nach Schätzung zwischen 30 und 90 Milliarden US- Dollar erforderlich. Die US-Regierung hatte damit gerechnet, schon in der zweiten Jahreshälfte fünf Milliarden Dollar durch Ölexporte einzunehmen und im nächsten Jahr 14 bis 15 Milliarden Dollar. Diese Prognosen gelten heute als zu optimistisch, und selbst Einnahmen in einer solchen Höhe würden wohl nicht reichen. Wo das Geld für den Wiederaufbau des Landes herkommen soll, ist völlig offen. Der Irak ist nicht kreditfähig, die Ölkonzerne investieren wegen des hohen Risikos nicht und andere Geldquellen als das Öl gibt es nicht.
Fragliches Finanzkonzept
Die Bush-Regierung erwägt nunmehr ein Finanzkonzept, dessen Erfolg fraglich ist. Sie denkt daran, die künftigen Einkünfte des Irak aus dem Ölexport bereits heute als Wertpapiere oder verbriefte Kredite an den Finanzmärkte zu verkaufen und damit Einnahmen zu erzielen, ohne dass bereits Öl fließt. "Dazu müssten die Käufer solcher Papiere Vertrauen in die wirtschaftliche und politische Zukunft des Irak haben", sagt Wirtschaftsforscher Matthies. "Ohne stabile politische Umgebung im Irak wird das nicht funktionieren."