Finanzkrise Bahn verschiebt Börsengang

Von Ulf Brychcy, Angela Maier und Jenny Genger
Die Bundesregierung zieht die Reißleine: Der Börsengang der Bahn wird nach Informationen der "Financial Times Deutschland" angesichts der Finanzmarktturbulenzen verschoben. Ein neuer Termin wird aber schon angepeilt.

Nach zahlreichen Warnungen reagiert die Bundesregierung: Der ursprünglich für Ende Oktober geplante Börsengang der Bahn wird verschoben. Das erfuhr die FTD aus Finanzmarktkreisen. Als Grund wurde die aktuelle Finanzmarktkrise genannt. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte bereits Anfang dieser Woche Zweifel am bisherigen Zeitplan geäußert und einen Plan B in Betracht gezogen. Komplett abgesagt werden soll die seit Jahren geplante Erstnotiz des Staatsunternehmens jedoch nicht. Ein neuer Termin wird den Informationen zufolge frühesten in den November gelegt.

In Berlin traf sich am Donnerstag der Lenkungsausschuss mit Vertretern von Banken, Bahn und Bund, um über die Teilprivatisierung zu beraten. Das Treffen war bereits lange geplant, denn dort sollte das Gremium ursprünglich über die Preisspanne entscheiden, mit der ab kommenden Montag die Zeichnungsfrist für Privatanleger beginnen sollte.

Politiker aller Parteien hatten gefordert, den Börsengang zu stoppen. Es sei unsicher, ob die angestrebten 4 bis 5 Milliarden Euro derzeit am Markt erzielt werden können. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hatte sich einst gar einen Emissionserlös von bis zu 8 Milliarden Euro vorgestellt. Die Erstnotierung war für den 27. Oktober geplant. Ein Anteil von 24,9 Prozent an der Logistik- und Transporttochter "DB Mobility Logistics" soll verkauft werden. Bahn-Chef Hartmut Mehdorn hatte an dem Zeitplan bislang unbeirrt festgehalten.

Schlechte Rahmenbedingungen

Doch die Rahmenbedingungen haben sich drastisch verschlechtert: Die internationalen Finanzmärkte stehen derzeit unter verschärftem Druck. Der Dax war am Mittwoch zeitweise unter die sensible Marke von 5000 Punkten gerutscht. Am Abend hatte Schott Solar seinen für Donnerstag geplanten Börsengang abgesagt. Die Emission werde auf unbestimmte Zeit verschoben, teilte das Unternehmen mit. Der Grund: Das Umfeld sei "umwerfend schlecht". Damit ist der bislang größte Börsengang im Prime Standard für dieses Jahr geplatzt.

Mehdorn und sein Finanzvorstand Diethelm Sack hatten dessen ungeachtet ihre Vorbereitungen für den Börsengang fortgesetzt. Sie besuchten in den vergangenen Tagen institutionelle Investoren, vor allem in London und in Moskau. Der Konzern teilte noch Anfang der Woche mit, es gebe keine negativen Zeichen aus dem Markt. Vorstand und Finanzminister hatten stets betont, dass es interessierte strategische Investoren gebe, die von der Finanzkrise nicht so stark betroffen seien.

Eine Frage der Schmerzgrenze

Experten befürworten eine Änderung des Börsenfahrplans. "Das Finanzministerium muss auf die Marktbedingungen reagieren", sagte Bob Lilja, Gründer der auf Börsengänge spezialisierten Beratung Lilja & Co, der FTD. Neben der Verschiebung des IPO-Termins bleibt den Eignern auch noch die Möglichkeit, den Preis oder den angebotenen Anteil zu reduzieren. "Der Bund sollte überlegen, das Emissionsvolumen erheblich zu reduzieren", so Lilja. Auf diese Weise werde es leichter, eine zwei- bis dreifache Überzeichnung der Emission zu erzielen.

Eine solche Überzeichnung ist Bankern zufolge nötig, um die Aktien erfolgreich und ohne nachträglichen Preisabschlag platzieren zu können. So oder so muss der Bund nach Liljas Einschätzung bei dem aktuellen Marktumfeld einen deutlich größeren Abschlag vom errechneten Wert der Aktien als die üblichen 10 bis 20 Prozent hinnehmen. "Die Politik und die Bahn müssen sich überlegen, wo ihre Schmerzgrenze ist." Lilja & Co. hatte sich als unabhängiger Berater des Bundes beim Bahn-Börsengang beworben, war aber gegenüber dem Bankhaus Metzler unterlegen. Die Aktien der Bahn-Tochter sollten nach den bisherigen Plänen im regulierten Markt (Prime Standard) der Frankfurter Wertpapierbörse notiert werden. Dies ist Voraussetzung für einen möglichen späteren Aufstieg in die Indizes MDax oder Dax. Die Papiere sollten in Deutschland privaten und institutionellen Investoren angeboten werden. Die zum Verkauf stehende Sparte macht den größten Teil des operativen Geschäfts aus. Die Infrastruktur bleibt zu 100 Prozent im Besitz des Bundes.

FTD