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Kritik an Medien Beirat des Wirtschaftsministeriums fordert "Disziplinierung der Presse" – Altmaier entfernt Papier von Webseite

Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie
Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie
© Bernd von Jutrczenka / DPA
Der Beirat "Junge Digitale Wirtschaft" des Bundeswirtschaftsministeriums forderte in einem Positionspapier eine "Disziplinierung der Presse" bei Berichterstattung zu Börsengängen. Es hagelte Kritik – Minister Peter Altmaier reagierte prompt.

Ein Gremium des Bundeswirtschaftsministeriums, bestehend aus Gründer:innen, jungen IT-Unternehmer:innen aus der Start-up-Szene, Vertreter:innen etablierter IKT-Unternehmen sowie Investor:innen, möchte Medien laut einem Positionspapier vorschreiben, wie sie über Börsengänge berichten sollen. Das berichtet das "Handelsblatt". Der Beirat wolle verhindern, dass Journalist:innen Unternehmen beim Geldeinsammeln stören.

In dem "Positionspapier zum Thema Börsengänge Deutscher Start-ups" heiße es, dass Medien eine Mitschuld am schwächelnden IPO-Markt (IPO steht für initial public offering, der englische Begriff für Börsengang) tragen würden. Es gebe ein "IPO-" und "new economy-bashing". Der Staat solle eingreifen und für eine "Gewährleistung einer ausgewogenen Berichterstattung" sorgen, zitiert das "Handelsblatt". 

"Fehler passiert": nicht finale Arbeitsversion veröffentlicht

Im Papier werden etwa Maßnahmen genannt, wie "Verpflichtung der Presse zur Berichterstattung auch über kleinere IPOs" und "Disziplinierung der Presse zu sachlicher, richtiger und vollständiger Information".

Namentlich genannte Autor:innen des Papiers sind laut "Handelsblatt" die Amorelie-Gründerin Lea-Sophie Cramer, Investor Christoph Gerlinger von der German Startups Group und Alex von Frankenberg, Geschäftsführer des High-Tech Gründerfonds.

Miriam Wohlfarth, Mitglied des Beirats, entschuldigte sich stellvertretend auf Twitter. "Stellvertretend für den Beirat entschuldigen wir uns. Ohne Einschränkung bekennt der Beirat sich für die Pressefreiheit. Leider ist uns hier ein Fehler passiert und es wurde eine nicht finale Arbeitsversion veröffentlicht. Wir werden das Papier umgehend austauschen."

Altmaier ordnet Löschung des Papiers von Homepage an 

Das Wirtschaftsministerium zog allerdings schnell die Reißleine. Das Papier ist auf der Homepage nicht mehr auffindbar, es wird nur ein Fehlercode angezeigt. Das dürfte an der Reaktion des Bundeswirtschaftsministers liegen: "Pressefreiheit ist ein herausragendes Grundrecht, dessen Schutz wir verpflichtet sind. Das Positionspapier des Beirates junge digitale Wirtschaft, war mir ebensowenig bekannt wie seine Veröffentlichung auf der Homegage (sic!). Ich habe soeben die umgehende Entfernung angeordnet", schrieb Peter Altmaier (CDU) am Montag auf Twitter.

Am Dienstag sagte Altmaier: "Der Beirat Junge Digitale Wirtschaft hat klargestellt, dass es sich bei dem Positionspapier um eine veraltete Entwurfsfassung gehandelt hat, die versehentlich dem Bundeswirtschaftsministerium zur Veröffentlichung übersandt wurde. Christoph Gerlinger, Mitglied im Beirat für Junge Digitale Wirtschaft, hat die Verantwortung für die betreffenden Formulierungen übernommen und seinen Rücktritt angeboten. Dieser Schritt verdient Respekt und Achtung. In einem persönlichen Gespräch habe ich den Rücktritt von Herrn Gerlinger angenommen."

Auch das Ministerium distanzierte sich auf Twitter: "Das BMWi teilt die Vorschläge nicht. Die Unabhängigkeit der Presse ist für das BMWi ein hohes Rechtsgut. Der Beirat Junge Digitale Wirtschaft ist unabhängig. Alle Papiere des Beirats werden als Meinungsäußerung des Beirats auf der Internetseite des Beirats veröffentlicht."

Ministerium bedauert die Veröffentlichung

Am Dienstag stellte das Ministerium auf Nachfrage des stern klar, dass es sich um kein Papier des Ministeriums handele und das dieses am Montag von der Seite genommen wurde. "Die Papiere und Stellungnahmen werden vom Beirat verfasst und wie vom Beirat verfasst, auf der Internetseite des Beirats auf der BMWi-Website veröffentlicht. Dabei wird auf der Website kenntlich gemacht, dass es sich um unabhängige und vom Beirat unabhängig erstellte Papiere handelt."

Positionspapiere des unabhängigen Beirats würden vom Ministerium nicht inhaltlich abgenommen oder genehmigt. "Eine inhaltliche Zensur findet nicht statt. Papiere werden natürlich gelesen, aber es erfolgt keine inhaltliche Abnahme, da es unabhängige Stellungnahmen sind." Es könnten aber keine Äußerungen veröffentlicht werden, "die gegen verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter wie die Pressefreiheit verstoßen". 

Das BMWi bedauere die Veröffentlichung. Der zukünftige Prozess zur Veröffentlichung von diesen Positionspapieren solle intern geprüft werden.

Gremium soll Ministerium beraten

Die prompte Reaktion Altmaiers folgte nach harscher Kritik an dem Papier. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) bezeichnete die im Papier genannten Maßnahmen als "völlig absurde Forderungen". "Selbst wenn das ein vorläufiges Papier gewesen sein sollte, solche Forderungen lassen tief blicken. Meint man es mit der #Pressefreiheit ernst, kommt man gar nicht erst auf solche Ideen und schreibt sie auf", kommentierte der Verband. 

"Die Forderungen des Beirats an die Adresse der Medien zeugen von völliger Unkenntnis des Journalismus und seiner Aufgaben in der Demokratie", hieß es vom DJV weiter. "Vom Grundrecht der Pressefreiheit hätten die Beiratsmitglieder offenbar noch nichts gehört."

Stefan Winterbauer, stellvertretender Chefredakteur beim Branchen-Magazin "Meedia", kommentierte: "'Pressefreiheit ist ein herausragendes Grundrecht, dessen Schutz wir verpflichtet sind', twitterte Altmaier. Eine Selbstverständlichkeit in einer Demokratie. Dass man die Damen und Herren Gründer daran erinnern muss, ist ein Armutszeugnis."

Der Beirat "Junge Digitale Wirtschaft" berät das Bundeswirtschaftsministerium nach eigenen Angaben "aus erster Hand zu aktuellen Fragen der digitalen Transformation". Im Fokus stünden die "Entwicklung und die Potenziale der jungen digitalen Wirtschaft und neuer digitaler Technologien in Deutschland". Ziel sei ein direkter und praxisbezogener Dialog der jungen deutschen Digital- und Gründerszene mit der Politik. Themen, die behandelt werden, sind unter anderem Aufbau großer europäischer KI-Modelle, Diversität und Gründerinnen oder E-Health/Digital Health.

Hinweis der Redaktion: Der Texte wurde um Äußerungen von Peter Altmaier und des Bundeswirtschaftsministeriums ergänzt.

rw

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