Brokdorf. Wackersdorf. Gorleben. Peter Altmaier rasselt noch einmal die Brennpunkte im Kampf gegen die Atomkraft herunter. "Alle hier im Saal wissen, wovon ich spreche", sagt der Bundesumweltminister am Freitag zu Beginn seiner Regierungserklärung im Bundestag. Dann bedankt er sich bei allen, die irgendwie mit dem "vermutlich größten und längsten Konflikt der Nachkriegsgeschichte" zu tun hatten. Den Tausenden friedlichen Demonstranten, die für ihre Überzeugungen gekämpft haben. Und den Polizisten, die unter Einsatz von Gesundheit und Leben die Castor-Transporte gesichert haben.
Es ist ein besonderer Moment um kurz nach neun Uhr. Erstmals wird im Bundestag nach mehr als 35 Jahren Konzentration auf Gorleben ein Gesetz für eine bundesweite Endlagersuche beraten - ausgehend von einer weißen Landkarte. Nach dem Beschluss für den Atomausstieg bis 2022 soll auch dieses Thema nun parteiübergreifend gelöst werden. Altmaier wählt große Worte, er spricht vom "historischen Durchbruch", den Bund und Länder mit ihrer Einigung am 9. April erzielt hätten.
Sein Lieblingswort ist "Konsens". Doch der Konsens ist in den vergangenen Tagen immer brüchiger geworden. Altmaier, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatten bei der feierlichen Einigungsverkündigung galant darüber hinweggesehen, dass wichtige Knackpunkte noch nicht gelöst waren. Das rächt sich jetzt.
Offene Fragen sind keine Kleinigkeiten
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) hat nun eine Art Ultimatum gestellt. Bis zur Ministerpräsidentenkonferenz am 13. Juni fordert er Antworten auch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Er hat Altmaier eine ganze Latte an zu klärenden Punkten geschickt - ohne Schleswig-Holstein dürfte der Neustart scheitern, weil das Land für das Zwischenlager Gorleben bestimmten Atommüll aufnehmen soll. Am 5. Juli sollen die Bundesländer das Gesetz eigentlich im Bundesrat absegnen. Altmaier verspricht nun eine Lösung bis Mitte Juni, wenn der Bundestag das Gesetz in 2. und 3. Lesung verabschieden soll.
"Schon bei seiner Einbringung steht dieses Gesetzesvorhaben auf der Kippe", kritisiert Weil. Altmaier müsse nun liefern. Konkret geht es um folgende Punkte: Zahlen die Energieversorger die Zusatzkosten von zwei Milliarden Euro für die neue Suche? In welche Zwischenlager sollen die 26 Castor-Behälter, die noch aus den Aufarbeitungsanlagen Sellafield und La Hague zurückgenommen werden müssen? Wer zahlt die Polizeieinsätze, die zur Sicherung der Transporte notwendig sind? Wie lange darf der Atommüll in den Zwischenlagern bleiben? Und wer soll in der 24-köpfigen Kommission sitzen, die als ersten Schritt bis Ende 2015 die Kriterien für die neue Endlagersuche erarbeiten soll?
"Ich bin ja bei Ihnen, wenn Sie sagen, wir dürfen uns nicht immer über Petitessen echauffieren", sagt Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin an Freitag an Altmaiers Adresse. Aber die offenen Fragen seien nun mal keine Kleinigkeiten. Besonders Weil hat sich auch in eine missliche Lage manövriert. Das "Atomklo" Niedersachsen will eigentlich keinen Castor mehr aufnehmen. Ausgeschlossen ist Gorleben, wo im oberirdischen Zwischenlager schon 113 Behälter lagern.
Einige Castoren gehen nach Brunsbüttel
Klar scheint bisher nur: Einige Castoren gehen nach Brunsbüttel in Schleswig-Holstein und nach Philippsburg (Baden-Württemberg). Doch das reicht aus Platz- und Sicherheitsgründen nicht. Das von Union und FDP regierte Hessen will aber keine Castoren im Zwischenlager Biblis aufnehmen - so kristallisiert sich derzeit Unterweser als dritte Option heraus - das liegt aber in Niedersachsen. Stimmt Weil dem zu, könnte seine Glaubwürdigkeit ziemlich leiden.
So muss noch Kärrnerarbeit geleistet werden. Geht alles gut, sieht der Zeitplan so aus: 2014 bis 2015: Kommissionsarbeit. 2016 bis 2023: bundesweite Prüfung möglicher Standorte in Salz-, Ton- und Granitgestein unter Einschluss Gorlebens. Anschließend: Untertägige Erkundung wahrscheinlich zweier Standorte. Bis 2031: Beschluss des Bundestags, wo das Atommüll-Endlager errichtet werden soll.
Der Zeitdruck ist groß, denn die Zwischenlager haben Genehmigungen nur für 40 Jahre. Die für Gorleben läuft zum Beispiel am 31. Dezember 2034 aus - es ist schon jetzt absehbar, dass sie verlängert werden muss - was im Wendland zu Protesten führen dürfte. Die Atomwirtschaft hält sowieso Gorleben für geeinigt. Sie wolle erst Geld für eine neue Suche geben, wenn final über die Eignung des Salzstocks entschieden sei. Bei allen Problemen, eines macht Altmaier klar: Konsens ist, dass der Atommüll am Ende in Deutschland entsorgt werden muss.
Endgültiger Beschluss bis 2031
So muss noch Kärrnerarbeit geleistet werden. Geht alles gut, sieht der Zeitplan so aus: 2014 bis 2015: Kommissionsarbeit. 2016 bis 2023: bundesweite Prüfung möglicher Standorte in Salz-, Ton- und Granitgestein unter Einschluss Gorlebens. Anschließend: Untertägige Erkundung wahrscheinlich zweier Standorte. Bis 2031: Beschluss des Bundestags, wo das Atommüll-Endlager errichtet werden soll.
Der Zeitdruck ist groß, denn die Zwischenlager haben Genehmigungen nur für 40 Jahre. Die für Gorleben läuft zum Beispiel am 31. Dezember 2034 aus - es ist schon jetzt absehbar, dass sie verlängert werden muss - was im Wendland zu Protesten führen dürfte. Die Atomwirtschaft hält sowieso Gorleben für geeinigt. Sie wolle erst Geld für eine neue Suche geben, wenn final über die Eignung des Salzstocks entschieden sei. Bei allen Problemen, eines macht Altmaier klar: Konsens ist, dass der Atommüll am Ende in Deutschland entsorgt werden muss.