Finanzkrise US-Banken droht Teilverstaatlichung

Die Briten haben es vorgemacht, die USA könnten bald folgen: Angesichts der dramatischen Lage im Finanzsektor denkt Finanzminister Henry Paulson offenbar ebenfalls über eine teilweise Verstaatlichung von Banken nach. Für Deutschland schloss Finanzminister Peer Steinbrück einen solchen Schritt aus - ließ dabei aber ein Hintertürchen offen.

Angesichts der dramatischen Lage im Finanzsektor denkt die US-Regierung auch über eine teilweise Verstaatlichung von Banken nach. Das verlautete aus Regierungskreisen in Washington. Die vom Kongress jetzt im Rahmen des 700 Milliarden Dollar umfassenden Rettungspakets gewährten Vollmachten zum Umgang mit der Finanzkrise eröffneten der Regierung eine Reihe von Möglichkeiten, hieß es. Die "New York Times" berichtete auf ihrer Internetseite, mit dem Schritt solle ein Beitrag zur Stärkung des Vertrauens in das Bankensystem geleistet werden.

Ein derartiger staatlicher Einstieg bei Banken wäre zu vergleichen mit dem Vorgehen der britischen Regierung. Diese hatte am Mittwoch angekündigt, acht der größten Banken teilweise zu verstaatlichen, um die Stabilität auf dem Finanzmarkt wiederherzustellen. Premierminister Gordon Brown sprach von "radikalen" Eingriffen ins Bankensystem. Auf den britischen Plan angesprochen, sagte US-Finanzminister Henry Paulson, er weise diese Idee nicht zurück. Er wolle jedoch nicht darüber spekulieren, welches der neuen Rechte die Regierung nun anwende.

Die Bundesregierung lehnt dagegen die Teilverstaatlichungen von Banken vorerst ab. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sagte im "Handelsblatt" vom Donnerstag: "Bisher sehe ich einen Bedarf für staatliche Übernahmen in Deutschland nicht, weil der deutsche Bankensekor zwar schlimm genug, aber bislang weniger stark von der Finanzkrise betroffen ist." Er schränkte allerdings ein: "Das kann sich aber ändern, "weil die Unsicherheiten über die weitere Entwicklung derzeit viel zu hoch sind".

Das US-Finanzministerium will in Kürze Details zum Rettungspaket bekanntgeben. Es sei nur noch eine Frage von Tagen, bis das Programm mit allen Vorhaben und Zeitplänen ausführlich vorgestellt werden könne, sagte Staatssekretär David McCormick. "Ich gehe davon aus, dass mit der Umsetzung in Wochen - nicht Monaten - begonnen werden kann." Mit den 700 Milliarden Dollar will die Regierung der angeschlagenen Finanzbranche faule Kredite abkaufen und sie damit entlasten.

Staat übernimmt auch größte isländische Bank

Die isländischen Behörden werden auch die größte Bank des Landes unter ihre Fittiche nehmen. Nach der Nummer drei Glitnir und der Nummer zwei Landsbanki werde Island auch die Kontrolle über Branchenführer Kaupthing übernehmen, erklärte die Regulierungsbehörde FME. Die inländischen Spareinlagen bei Kaupthing seien garantiert und die Bank werde ihren Betrieb wie bisher fortführen.

Island ist wie kein anderer europäischer Staat in den Finanzstrudel gerissen worden. Die Regierung will durch Verstaatlichungen von Banken und mit russischer Hilfe eine Staatspleite verhindern. Die Verhandlungen über ein russisches Darlehen in Höhe von vier Milliarden Euro sollen kommenden Dienstag beginnen.

Fed gewährt AIG weitere Milliardenspritze

Der angeschlagene US-Versicherungskonzern AIG erhält unterdessen von der amerikanischen Notenbank eine weitere Kapitalspritze im Umfang von knapp 38 Milliarden Dollar (28 Milliarden Euro). Die Federal Reserve (Fed) wird nach Angaben vom Mittwoch Investmentpapiere in einer Höhe bis zu der genannten Summe von AIG übernehmen und im Gegenzug das Bargeld bereitstellen.

Die Fed hatte der American International Group (AIG) bereits am 16. September ein Darlehen in Höhe von 85 Milliarden Dollar gewährt und damit den Konzern gerettet. Der Versicherer will durch den Verkauf umfangreicher Konzernteile das Darlehen der Notenbank möglichst schnell zurückzahlen und damit wieder eigenständig werden. Der Beinahe-Kollaps des Unternehmens hatte die Eskalation der US-Finanzkrise nochmals deutlich verschärft. Die AIG-Aktie schloss am Mittwoch mit einem Verlust von 9,1 Prozent bei 3,19 Dollar.

Paulson warnt vor weiteren Bankenpleiten

Laut Finanzminister Paulson ist ein baldiges Ende der Finanzkrise in den USA nicht absehbar. "Es ist Geduld gefragt, weil diese Turbulenzen kein schnelles Ende finden werden und noch bedeutsame Herausforderungen zu meistern sind", sagte Paulson. Er sei aber überzeugt, dass die Probleme überwunden werden können. Er warnte aber auch, dass es weitere Zusammenbrüche von US-Banken geben könne, solange die US-Wirtschaft in schwierigem Fahrwasser sei.

Paulson sprach sich für eine enge Abstimmung der von der Finanzkrise betroffenen Staaten aus. Er habe zu diesem Zweck eine Sonderkonferenz der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) am Samstag vorgeschlagen, sagte Paulson. Dabei sollen sich die Teilnehmer untereinander koordinieren, um die Folgen der Krise und die Abschwächung der Konjunktur in den jeweiligen Ländern zu verringern.

Auch US-Präsident George W. Bush betonte in einem Telefongespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Wichtigkeit eines gemeinsamen Vorgehens aller Staaten bei der Eindämmung der Finanzkrise. Bush habe Merkel angerufen, um sie über die Schritte der USA in der Finanzkrise zu informieren, teilte das US-Präsidialamt mit. Die beiden Regierungschefs seien sich einig gewesen, dass angesichts der Probleme, vor denen die Weltwirtschaft stehe, alle Länder zusammenarbeiten müssten, sagte Sprecherin Dana Perino weiter. Merkel sprach auch mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und verabredete mit ihm eine engere Abstimmung der Maßnahmen zur Stützung der Märkte.

Die US-Börsen verzeichneten am Mittwoch den sechsten Handelstag hintereinander deutliche Verluste. Der deutsche Aktienindex blieb tief in den roten Zahlen. Am Donnerstagvormittag tendierte die Börse in Tokio nach anfänglichen Verlusten fest. Der Nikkei für 225 führende Werte notierte zur Handelsmitte ein Plus von 115,08 Punkten oder 1,25 Prozent bei 9318,40 Punkten. Händlern zufolge wird der Aufwärtstrend jedoch durch die weiter bestehende Sorge über die Folgen der Finanzkrise gebremst, obgleich sechs der großen Zentralbanken der Welt überraschend die Leitzinsen gesenkt hatten. Am Vortag war der Nikkei um über neun Prozent auf den tiefsten Stand seit mehr als fünf Jahren gestürzt.

AP · DPA · Reuters
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