GESUNDHEITSWESEN Schröder wirft Ärzten und Apothekern »Gejammere« vor

Das von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) geplante Not-Sparpaket wird die Krankenkassen vermutlich weniger entlasten als erhofft. Der Pharmaindustrie droht ein Zwangsrabatt auf Arzneimittel.

Das geht aus den ersten Entwürfen für das Gesetzespaket hervor, die der dpa vorliegen. Danach umfasst das Teilpaket, das nicht vom Bundesrat gebilligt werden muss, ein Sparvolumen von 2,85 Milliarden Euro. Insgesamt beläuft sich das Sparpaket auf 3,5 Milliarden Euro. Die anderen Sparmaßnahmen können aber am Widerstand der Union in der Länderkammer scheitern.

Bayern will den Kassen vor einem entsprechenden Verbot noch ermöglichen, ihre Beitragssätze zu erhöhen. Angesichts der Finanznot verlangte Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe, die Gesundheitsreform vorzuziehen.

Die Pharmabranche warf der Bundesregierung vor, mit dem geplanten Zwangsrabatt auf Arzneimittel ihr Wort gebrochen zu haben. Auch der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie, Hubertus Schmoldt, lehnte ein »Sonderopfer« der Pharmaindustrie ab. Nach den Plänen Schmidts sollen Pharmafirmen, Arznei-Großhändler und Apotheker den Krankenkassen Rabatte in Höhe von insgesamt 1,4 Milliarden Euro gewähren. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) warf den Vertretern von Ärzten und Apothekern »Gejammere« vor.

Beim SPD-Landesparteitag in Essen sagte Schröder, Mediziner und Apotheker, deren Einkommen »nicht nur unwesentlich über dem Sozialhilfeniveau« lägen, müssten einen eigene Beitrag zur Sanierung des Gesundheitssystems leisten. Beim Umbau des Gesundheitswesens werde die Regierung darauf achten, »dass die Beiträge nicht ins Uferlose steigen«. Die Kassen dürften Kostenerhöhungen nicht nur auf die Patienten abwälzen, sondern müssten auch prüfen, was sie in der eigenen Verwaltung einsparen könnten.

Schmidt hat das Sparpaket in zwei Gesetze aufgeteilt, um den Bundesrat teilweise zu umgehen. Der zustimmungsfreie Teil enthält Kernpunkte wie das geplante Verbot von Beitragssatz-Erhöhungen für die Krankenkassen, die Nullrunde für Ärzte und Krankenhäuser, Großrabatte auf Arzneien und die höhere Versicherungspflichtgrenze. Der zustimmungspflichtige Teil umfasst die Begrenzung der Verwaltungskosten der Kassen und Festbeträge für Arzneien.

»Die gesetzliche Krankenversicherung ist pleite«

Die Fraktionen von SPD und Grünen müssen die Entwürfe kommende Woche noch billigen. Die Grünen sperren sich allerdings gegen den geplanten Beitragsstopp bei den Krankenkassen und die Nullrunde bei den Krankenhäusern. Die strittigen Punkte sollen am Montag geklärt werden.

Die bayerische Sozialministerin Christa Stewens (CSU) sagte der »Berliner Zeitung« , das von Ulla Schmidt geplante Einfrieren der Beitragssätze sei »Politik nach dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf«. »Die gesetzliche Krankenversicherung ist pleite.« Die Kassen könnten daher gar nicht anders handeln, als die Zeit bis zum Stichtag 7. November zu nutzen, um die Beiträge anzuheben. »Daher werden wir die Anträge rasch prüfen und die notwendigen Beitragsanhebungen noch vor dem 7. November genehmigen«, sagte die Ministerin, die die Aufsicht über die bayerischen Kassen hat.

Der Vorsitzende des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller, Bernhard Scheuble, erinnerte an eine im November 2001 geschlossene Vereinbarung mit der Bundesregierung. Damals habe die Pharmaindustrie einen Solidarbeitrag von 205 Millionen Euro zur Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung bereitgestellt. Im Gegenzug habe die Regierung zugesichert, bis Ende 2003 auf neue Preisvorschriften für Arzneien zu verzichten, erklärte Scheuble in Berlin.

Bundesärztekammer-Präsident Hoppe sagte der »Berliner Zeitung«, der Druck zu grundsätzlichen Veränderungen sei so groß, dass »ein weiteres Abwarten fahrlässig ist und die Probleme sich dadurch weiter verschärfen«. Von einer neuen Expertenrunde nach dem Vorbild der Hartz-Kommission, wie sie Schröder vorgeschlagen hat, halte er »überhaupt nichts«. »Wir brauchen jetzt keine neue Kommission, sondern politische Entscheidungen.«